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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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Schnürsenkel-Wäscheleine direkt über einem Heizkörper, während sie mit ihrer Fußpflege beginnt. Als sie ihre Strümpfe herunterrollt, seufzt sie erleichtert: »Heute bin ich endlich mal kein Aschenputtel.«
    »Was meinst du denn damit?«, will ich wissen. »Heute habe ich mal kein Blut im Schuh«, sagt sie und streckt mir ihre bloßen Füße entgegen. Bestürzt sehe ich auf Blasen, auf aufgeschürfte Haut und wunde Stellen. Lieber Himmel, wie kann jemand bloß mit solchen Füßen laufen? Ich verkneife es mir, Moni darauf aufmerksam zu machen, dass es die bösen Schwestern von Aschenputtel waren, die Blut im Schuh hatten. In meinen Augen ist Moni aber weder ein Aschenputtel noch eine böse Schwester, sondern eine ziemlich taffe Wanderfreundin, von deren Ausdauer und Durchhaltevermögen ich mir eine dicke Scheibe abschneiden kann. Aber jeder nach seinem Vermögen, tröste ich mich und bin dankbar für meine babyzarten Fußsohlen und Fersen.
    Als wir längst im Schlafsack liegen, reicht Pit, der sich im Bett neben mir eingekuschelt hat, seine Hand zu mir herüber. »Morgen soll das Wetter besser werden«, murmelt er. Na ja, schauen wir mal...

35. TAG VILALBA — BAAMONDE

    Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich noch vor drei Tagen abbrechen wollte. Wir fühlen uns ausgeruht und fröhlich und durch milchigweißen Frühnebel flimmern sogar erste Sonnenstrahlen. Zu sechst suchen wir im Ort die gelben Jakobspfeile und finden sie endlich schräg gegenüber des alten Wehrturms Torre de Andrade, der zum Parador-Hotel ausgebaut worden ist. Die Straße ist mit schönen alten Steinen gepflastert und geleitet uns über eine Brücke in eine von mächtigen Buchen gesäumte Allee. Wir lassen die Häuser hinter uns und schließlich auch die drei A-Mädels und Moni. Es sieht so aus, als hätte Doris Schwierigkeiten mit ihren Füßen. Gesagt hat sie nichts, und da Pit und ich keine Rücksicht nehmen müssen, frei von jeder Verpflichtung und voller Kraft sind, schreiten wir fröhlich aus.
    Die Allee verjüngt sich zu einem weichen Wiesenpfad, der sich an Höfen und winzigen Siedlungen vorbeischlängelt. Die Häuser sind aus Natursandstein gemauert und von Farnen, Moosen und Flechten überwuchert. Gärten und Wege sind von aufgestellten Granit- oder Schieferplatten eingefasst. Dahinter blühen Ringelblumen, Callas, Ginster und Stockrosen. Menschen sehen wir keine.
    Sanft wellt sich die Landschaft vor uns. Die Weite wird nur unterbrochen durch kleine Baumgruppen, Buchen, Kastanien, manchmal weißstämmige Birken. Und über allem strahlt die Sonne, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Doch dann stoßen wir auf einen Weg voller Pfützen so groß und tief wie Badewannen. Auch hier hat es wohl tagelang geschüttet und zwar so reichlich und ausdauernd, dass die Erde die Flut nicht fassen konnte. An ein Durchkommen ist nicht zu denken. Pit und ich klettern über Zäune und Hecken und waten über pitschnassen Rasen. Auf einem aufgeworfenen Wall, der zwei Wiesen voneinander trennt, finden wir ein einigermaßen trockenes Plätzchen. Baumstümpfe dienen als Tisch und Stühle und das dichte Unterholz am Wegrand als Freiluftklo. Nach Picknick und Sonnenbad geht es schließlich weiter in der Nähe der N 634. Ab und zu schauen wir nach, ob sie noch da ist, überqueren unsere alte Bekannte und marschieren auf der anderen Seite über verwunschene Pfade durch herb-romantisches Gebiet.
    Nach neun Kilometern stoßen wir kurz vor dem Örtchen Alba auf einen alten Friedhof. Pit und ich streifen zwischen den Gräbern hindurch, die hier schmalen kleinen Häusern aus übereinandergestapelten Schubladen gleichen. Die Schubladen enthalten die Särge, und ihre Fronten sind fast alle mit Plastikblumen und manchmal auch mit dem Bild des Verstorbenen geschmückt. Auf den Dächern dieser Totenhäuser ragen Zinnen und Kreuze weiß und weit sichtbar in den Himmel. Das alles wirkt sehr erhaben, aber auch ziemlich fremd.
    Pit und ich teilen uns unsere letzte Schokolade und winken den Mädels, die gerade vorübermarschieren. Kurz vor Baamonde holen wir sie ein, und gemeinsam erreichen wir unser Ziel.
    Heute hätte ich noch gut weiterlaufen können. Aber Pit zeigt Ermüdungserscheinungen, das erste Mal seit wir unterwegs sind. Außerdem tun ihm die Fersen weh. Doris verspricht ihm Silikoneinlagen. Ob die wohl helfen?
    Baamonde ist nicht besonders sehenswert, eine Hauptstraße, rechts und links davon ein paar schmucklose, heruntergekommene, zweistöckige

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