Und was, wenn ich mitkomme?
gefrühstückt.
Und dann endlich beginnt unsere erste, richtig ernst zu nehmende Wanderung. Heute geht es bis auf 570 Meter den Jaizkibel hinauf. Kleine gelbe Pfeile und die Jakobsmuschel auf blauem Kacheluntergrund weisen uns den Weg, der ziemlich steil bergauf führt. Einmal müssen wir eine Wiese hinaufklettern, die so steil ist wie eine Hühnerleiter und so rutschig wie Glatteis. Sie scheint gar nicht aufzuhören. Aber endlich oben angelangt, bietet sich uns ein toller Ausblick auf den kleinen Ort Hondarribia, auf die französische Küste in der Ferne, auf Irun. An der kleinen Eremita Guadalupe rasten wir auf einem asphaltierten Parkplatz unter blattlosen Platanen. Die Eremita ist nicht mehr als eine gedrungene, lang gezogene Kapelle aus dicken gelben Sandsteinmauern. Wir kehren ihr den Rücken zu und lassen uns auf Bänken nieder an einem Mäuerchen, hinter dem sich die Landschaft üppig grün und blau bis zum Horizont ausweitet wie ein Gemälde. Die Sonne brennt, aber es gibt weit und breit keinen Schatten. Wir vertilgen dosenweise gesalzene Erdnüsse und spülen mit reichlich Wasser nach. Wir schwitzen und müssen unseren Mineralhaushalt ausgleichen. Unsere Wassersäcke füllen wir an einem Brunnen auf, aus dem es herrlich kühl heraussprudelt. T-Shirt, Arme und Gesicht bekommen auch gleich was ab, und erfrischt geht es weiter.
Oben auf dem Grat verschlägt es uns die Sprache. Vor lauter Begeisterung über die Wahnsinns-Aussicht bleiben wir alle paar Meter stehen, brechen in Ah- und Oh-Rufe aus und kriegen uns fast nicht mehr ein. Rechts, tief unter uns, breitet sich das Meer in seinen schönsten Blautönen aus; links erheben sich die Pyrenäen mit Schneezipfelmützen auf ihren Gipfeln; vor uns wachsen bizarre Felsen aus dem satten grünen Rasen und den Grat entlang bauen sich alle paar Hundert Meter trutzige moos- und farnbewachsene Wachtürme aus dem 19. Jahrhundert auf und blicken herrisch ins Tal hinab.
Hier könnten wir tausend Fotos schießen. Aber keiner von uns hat eine Kamera dabei — erstens, weil wir keine Lust haben, sie ständig vor möglichen Dieben zu beschützen oder uns darum zu kümmern, wo wir den Akku aufladen und die Bilder von der Speicherkarte auf CD ziehen lassen können. Zweitens wollte Pit, der leidenschaftliche und perfektionistische Fotograf, die Landschaft und das Schöne des Weges diesmal nicht mit einem Fotoapparat vor den Augen und bloß noch mit seinem »Objektivblick« wahrnehmen, sondern in ihrer ganzen prachtvollen Gesamtheit. Und drittens: Auf diesem Weg geht es um weit mehr als um Momentaufnahmen. Und was immer das ist: Wir wollen uns alle frei und offen dafür halten.
So können wir nun ohne jedes touristische Fotografiergehabe einfach dastehen und genießen, was uns aber nicht davon abhält, bei jedem spektakulären Ausblick laut »Foto« zu rufen. Doris wirft sich vor einem mindestens fünf Meter hohen Monolithen in Positur, und Pit und ich drücken an imaginären Kameras den Auslöser. Wir haben mächtig Spaß dabei und fühlen uns glücklich und berauscht.
Der Weg bleibt kräftezehrend. Immer wieder geht es bergauf. Bergab ist es kaum leichter. Wir sind ziemlich k.o., aber immer noch fröhlich. Nach etwa 16 km erreichen wir auf Meeresniveauhöhe Pasaia. Wir finden, dass diese Strecke bei dem Höhenprofil für eine erste Wanderung ausreicht, suchen uns ein hübsches Café mit Blick auf die kleine Hafenbucht und bestellen unseren ersten café con leche (Milchkaffee). Wir legen die Beine auf freie Stühle, entspannen uns und lassen uns Zeit bis in den späten Nachmittag hinein, was ein Fehler ist. Denn in ganz Pasaia gibt es, entgegen der Empfehlung aus unserem Wanderführer, keine Übernachtungsmöglichkeit. Bedauernd schüttelt die freundliche Spanierin in der Touristen-Information den Kopf. »No albergue, no hostal« (keine Herberge, keine Pension). Es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir müssen weiter.
Mit einer kleinen Fähre setzen wir vom Stadtteil Pasaia Donibane über die Bucht zum Stadtteil Pasaia San Pedro über, wandern über uraltes Kopfsteinpflaster, erklimmen 60 hohe Stufen und klettern hinter einem verwunschenen Friedhof einen steilen, mit Brennnesseln überwucherten Pfad hinauf. Keiner hat uns gesagt, dass es noch einmal so beschwerlich werden würde. Aber im Wanderführer steht, dass gleich hinter dem Leuchtturm ein faszinierender und überraschend einsamer Küstenabschnitt beginnt. Und diesmal hat er recht. Auf schmalen Wegen mit zum Teil
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