Und weg bist du (German Edition)
Telefonbuch.«
Kurze Zeit später kehrte ich damit zu dem Tisch zurück, wo Noah noch immer die Karte studierte.
»Glaubst du wirklich, es handelt sich einfach um einen Namen?«
»Nein, wahrscheinlich nicht, aber um Jacks Rätsel zu lösen, muss man pyramidenartig vorgehen, das heißt bei der offensichtlichsten Vermutung anfangen und diese immer weiter einengen, damit man nichts übersieht. Mach dich nützlich und versuch schon mal mit den Buchstaben zu spielen. Vielleicht ist es ein Anagramm?«
Noah griff nach Zettel und Stift, die ich ihm reichte. »Warum hat er uns nicht einfach eine Nachricht hinterlassen wie ›Treffpunkt am Busbahnhof‹ oder so etwas?«
»So einer Botschaft würde ich nie trauen, weil sie garantiert nicht von Jack wäre.« Ich starrte auf das nutzlose Telefonbuch. »Hier gibt es nur eine Gabriele Rielen, aber keine Gala Riele. Glaubst du, die ist es?«
»Eher nicht. Und wenn er mit den ersten beiden Buchstabengruppen die englischen Wörter ›U‹ für ›du‹ und ›trec‹ für ›Weg‹ meinte? Aber dann hätte er ›trec‹ mindestens mit ›ck‹ schreiben müssen«
»Okay, und wenn man das Wort rückwärts liest? Was ist mit CERT? Soll das lautsprachlich ›zehrt‹ heißen oder hat es etwas mit Zertifikat zu tun? Und was ist mit KULANST. Bekommt Gala Riele aus Kulanz vielleicht ein Zertifikat?«
Noah grinste. Während ich nach einem Wörterbuch griff, in der Hoffnung, dass ich damit weiterkäme, klopfte er mir plötzlich auf die Schulter, und als ich zu ihm aufblickte, sah ich, wie er sich die Visitenkarte dicht vor die Augen hielt, bevor er sie schließlich an mich weiterreichte. »Sieh dir mal die Verzierung am Rand an.«
Ich drehte die Karte ins Licht, hob sie ebenfalls ganz nahe vor meine Augen und konzentrierte mich auf die blassgraue Umrandung, die man kaum bemerkte. Wenn man sie jedoch genau im richtigen Winkel betrachtete, konnte man erkennen, dass sie aus einer Reihe winziger Symbole bestand:
»Eine Gleichung mit Venus- und Marssymbolen, die für weiblich und männlich stehen«, stellte Noah fest.
Ich legte die Karte ab, griff nach Papier und Stift und schrieb sie ab. »Das wiederholt sich immer. Eine aus fünf Zeichen bestehende Gruppe wird jeweils mit einem Doppelpunkt getrennt, so wie Jack es früher schon einmal bei dem Laternen-Rätsel gemacht hat. Erinnerst du dich? So weit, so gut, aber welches Ergebnis erhalten wir, wenn wir von einem Weiblichkeitssymbol zwei Weiblichkeitssymbole abziehen, ein Männlichkeitssymbol hinzufügen und es dann gleich wieder abziehen?«
»Hollywood-Beziehungen?«
Überrascht blickte ich zu ihm auf. »Noah, du hast ja einen Witz gemacht.«
»Das soll vorkommen.«
Witze von ihm waren so selten, dass ich am liebsten Zeit und Ort festgehalten hätte. Doch ich beschloss nichts zu sagen, was unsere sensible Beziehung gefährden könnte, lächelte nur und wandte mich dann wieder der Gleichung zu. »Es gibt so viele Möglichkeiten. Woher sollen wir bloß wissen, was damit gemeint ist?«
»Komm schon, Jocelyn, du warst immer diejenige, die sich in Jacks Kopf so gut auskannte. Du musst doch wissen, was er damit sagen wollte. Spricht er hier von Beziehungen? Stehen diese Symbole für dich, mich und ihn? Wenn ja, wer sind die anderen? Und ist Gala Riele tatsächlich eine Person?«
»Nein, das glaube ich nicht. Jack gab immer ein Rätsel auf, um das nächste zu lösen. Mit der Gleichung am Rand will er uns sagen, wie die Buchstaben zu entschlüsseln sind.«
Noah betrachtete die Symbole, bis sich seine Mundwinkel plötzlich zu einem zufriedenen Grinsen hoben. »Denk noch mal an den Ausflug. Mit wem sind wir dorthin gefahren?«
»Mit dem Französischkurs von Mr Montclaude.«
»Ja, und weißt du noch, worauf er immer so großen Wert gelegt hat? Auf die maskulinen und femininen Artikel, weil die Nomen im Französischen im Gegensatz zum Englischen ein bestimmtes Geschlecht haben. Ich nehme an, dass die Symbole für ›le‹ und ›la‹ stehen. Übersetz mal jedes Symbol entsprechend auf Papier.«
Ich befolgte seinen Rat und erhielt folgendes Ergebnis: +la, -la, -la, +le, -le. Er nahm mir den Stift ab und setzte das erste »la« vor das U TREC.
»Das ergibt Lautrec, würde ich sagen.«
»Was ist das?«
»Nicht was, sondern wer ist das. Toulouse-Lautrec, der Maler, wahrscheinlich.«
»Wie gut, dass du dich in der Schule immer für Kunst interessiert hast.« Ich hatte seine Leidenschaft für Maler nie verstanden.
»Und jetzt ziehen wir
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