Und weg bist du (German Edition)
hatte mehrere SMS erhalten sowie ein Foto von den Freunden, mit denen ich eigentlich hatte zelten gehen wollen. Die ganze Gruppe machte mit ihren Händen den Metal-Gruß oder formte Herzen.
Meine Pflegemutter Marilyn hatte außerdem eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Sie wollte wissen, wie es mir geht. Ich schrieb ihr eine kurze SMS, in der ich ihr mitteilte, dass ich nach einiger Zeit gerade an einer Stelle mit Handyempfang sei, danach aber wahrscheinlich erst einmal wieder nicht erreichbar wäre. Sie solle sich keine Sorgen machen, es sei alles in Ordnung. Das war glatt gelogen, aber wenn ich am Ende Jack mit nach Hause bringen würde, wäre das verziehen.
Noah wollte wissen, ob aus meinem Koffer etwas fehlte. Schnell prüfte ich den Inhalt.
»Ich glaube nicht. Und mein Portemonnaie ist auch noch da – Kreditkarten, Bargeld, alles vollständig. Das ergibt keinen Sinn. Warum stiehlt jemand mein Auto, nimmt aber sonst nichts?«
»Und warum hat es dieser Jemand letzte Nacht zurückgebracht?«
»War es eine Drohung oder eine anonyme gute Tat?«
»Ich glaube nicht, dass jemand, der etwas Gutes tun will, das Auto einfach abstellt, ohne zu klingeln. Nicht zu wissen, wie es dorthin kam, ist unheimlich. Wer auch immer es zurückgebracht hat, will dir damit sagen, dass er oder sie dir auf den Fersen ist. Das bedeutet, dass wir hier nicht mehr sicher sind. Hinzu kommt der Überfall letzte Nacht. Wenn du dich noch umziehen möchtest, dann mach es jetzt. Ich packe auch einige Dinge zusammen. Wir müssen weg von hier. Du hast zehn Minuten.«
»Okay.« Ich beobachtete Noah, der vollkommen ruhig wirkte. Wenn überhaupt, dann hatte sich seine Laune gebessert, als würde er die Situation eher als aufregend und nicht als gefährlich empfinden.
Ich nahm meinen Koffer mit ins Badezimmer. Auch wenn ich froh war meine Sachen wiederzuhaben, war ich jetzt misstrauisch. Hatte der Dieb oder die Diebin meine Sachen angefasst? Wahrscheinlich, obwohl alles noch genauso einsortiert zu sein schien wie vorher. Ich hatte das Gefühl, zu einem Spiel gezwungen zu werden, bei dem ich gar nicht mitspielen wollte. Doch dann rief ich mir in Erinnerung, dass ich mich aus freien Stücken dafür entschieden hatte, hierherzukommen. Ich hätte den Jason-Dezember-Brief vernichten und als üblen Scherz abtun können, doch das habe ich nicht getan. Hierherzufahren hatte offenbar die Tür zu etwas Unheimlichem geöffnet, doch wenn ich Jack wirklich liebte und ihn finden wollte, musste ich stark sein.
Nachdem ich meine Haltung wiedergewonnen hatte, zog ich mir von Kopf bis Fuß frische Sachen an. Da es noch kühler geworden und nach wie vor bedeckt war, entschied ich mich für ein dunkelgraues, langärmeliges Hemd und meine Lieblingsjeans. Beim Bürsten der Haare stöhnte ich vor Schmerzen laut auf. Anschließend legte ich eilig ein wenig Make-up auf. Danach waren die Abschürfungen in meinem Gesicht praktisch nicht mehr zu sehen und meine Augen waren durch den dunklen Lidschatten und den schwarzen Eyeliner hervorgehoben. Ich lächelte, weil ich mich wieder wohl in meiner Haut fühlte, bis ich die roten Abdrücke auf meinem Hals erblickte. Noch immer waren die Umrisse der Hand meines Angreifers zu erkennen, was mich sehr störte. Ich wühlte in meinem Koffer und zog ein langes violett-grün gestreiftes Tuch mit Perlen an den Enden hervor. Dann wickelte ich es mir um den Hals, bis die Verbrennung nicht mehr zu sehen war.
Schließlich packte ich alles wieder zusammen und machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo Noah gerade Sachen in eine Tasche warf. Er blickte auf und musterte mich. Mir war ein wenig unbehaglich zu Mute. »Stimmt etwas nicht?«
»Lass nichts im Haus, was du vielleicht brauchst. Ich weiß nicht, wann wir hierher zurückkehren.«
»Das klingt ernst.«
»Ist es auch.« Trotz dieser Worte wirkte er heiter.
Wir vergewisserten uns, dass das Haus sorgfältig verriegelt war, und nach einer kurzen Diskussion, welchen Wagen wir nehmen sollten, gab ich nach. Wir verstauten unser gesamtes Gepäck inklusives seines Laptops auf dem Rücksitz des Jeeps. Noah lächelte, weil mir die Besorgnis offenbar anzusehen war. »Sieh es als Abenteuer.«
Für einen Augenblick standen wir gemeinsam in der Garage an fast derselben Stelle, an der ich in seinem Würgegriff um mein Leben gefürchtet hatte. Noch immer hatte ich Angst, wenn auch dieses Mal aus anderen Gründen. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Lass uns fahren.«
Wir
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