Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
Vom Netzwerk:
ruhig sitzen geblieben wäre und den Mund gehalten hätte. Als der Friseur dann tatsächlich noch fragte, ob es für mich in Ordnung sei, die Haare abschneiden zu lassen, nickte ich nur.«
    Noch immer konnte ich vor mir sehen, wie die langen Strähnen zu Boden fielen, und noch immer fühlte ich die Wut des Ausgeliefertseins, als wäre es gestern gewesen. »Auch wenn ich am liebsten geheult hätte, ich habe es nicht getan. Melody saß nur daneben und nickte lächelnd, als sei alles wunderbar. ›Wie süß!‹, rief sie die ganze Zeit und schon damals war mir klar, dass das nicht die Wahrheit war.«
    Ich starrte in die Dunkelheit und fragte mich, warum mich diese Erinnerung nach wie vor so sehr schmerzte.
    »Du hast dein kurzes Haar gehasst. Ich weiß noch genau, dass du es unbedingt wachsen lassen wolltest.«
    »Deshalb trage ich es jetzt auch lang. Na jedenfalls, als Jack mich mit meiner neuen Frisur sah, gab er vor, sie ganz in Ordnung zu finden, aber seine erste Reaktion war mir nicht entgangen. Er wollte nur nicht, dass ich mich so schlecht fühlte.«
    »Warum hat Melody dir die Haare abschneiden lassen?«
    »Weil Erv, ihr neuer Lover, auf Bewährung draußen war und keine kleinen Mädchen bei sich im Haus haben durfte. Deshalb hatte sie ihm gesagt, ihre Zwillinge wären beide Jungen, und nannte mich fortan Josh.«
    Noah fluchte und ich spürte, er hasste sie fast genauso sehr wie ich.
    »Danke«, flüsterte ich und zum ersten Mal machte ich keine entsprechende Bemerkung, als er ein Schimpfwort nach dem anderen für sie fand.
    »Hat dieser Erv gemerkt, dass du ein Mädchen bist?«
    »Nein, das war wahrscheinlich das Gute an der Frisur. Allerdings hätte ihm verboten werden müssen überhaupt mit Kindern zusammen zu sein, nicht nur mit Mädchen. Er war bösartig. Keiner von Melodys zahlreichen Lovern hatte einen so irren Blick wie er.« Ich hielt inne. In mir zog sich alles zusammen, wenn ich nur an ihn dachte.
    »Wir waren erst wenige Tage dort, als er eines Morgens fuchsteufelswild wurde, weil wir die letzten Cornflakes gegessen hatten. Dafür schubste er Jack so kräftig, dass er durch die ganze Küche flog.«
    »Und natürlich hat eure Mutter, die alte Hexe, nichts dagegen unternommen.«
    »Gar nichts. Wir wussten, dass wir abhauen mussten. Melody würde ihn nicht verlassen und wir konnten nicht bleiben. Also packten wir einige Sachen zusammen und kletterten aus dem Schlafzimmerfenster. Unser Plan war, zu Melodys Cousine Cheryl zurückzukehren. Doch wir schafften es nur bis zur Grenze, wo wir aufgehalten wurden. Die kanadischen Behörden lieferten uns dann in den Bundesstaat New York aus.«
    »Weil ihr US-amerikanische Pässe hattet?«
    »Ja. Eine Weile haben sie uns verhört. Wir wollten ihnen aber auf keinen Fall erzählen, warum wir in Kanada waren und dass wir in Gatineau gelebt hatten. Auch hatten wir Bedenken, ihnen Cheryls Namen zu geben, aus Angst, dass sie Melody anrufen würde. Da sie keine aktuellen Daten zu unserer Mutter fanden, hat uns das Jugendamt nach Seale House vermittelt.«
    Ich starrte weiter ins Dunkel und lauschte dem leisen Knacken des Hauses. »Egal wie lang mein Haar ist oder wie stark ich geschminkt bin, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich immer noch Jocey mit der Jungenfrisur vor mir. Keine Ahnung, ob ich diese scheußliche Erinnerung je loswerde.«
    Noah rückte näher an mich heran. »Hör zu. Du bist der bemerkenswerteste Mensch, dem ich je begegnet bin. Du bist inzwischen wunderschön, ja, aber dein Aussehen war mir noch nie wichtig. Nein, was mich berührt wie sonst nichts und niemand, sind dein Herz und dein Verstand. Ist dir das klar?«
    Seine Worte klangen aufrichtig. Sofort flammten meine Gefühle für ihn wieder auf, so intensiv und echt wie damals, als wir noch Kinder waren. Er war nah genug, dass ich die Besorgnis in seinen Augen sehen konnte. Noah strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich spürte seine Unsicherheit.
    »Was ist?«
    »Ich möchte dich küssen.«
    Überrascht atmete ich aus. »Okay.«
    Er schob seine Hand unter meinem Haar hindurch in meinen Nacken und zog mich sanft zu sich heran. Ich schloss die Augen und ein Wunsch, den ich fünf Jahre lang gehegt hatte, ging endlich in Erfüllung. Sein Mund war zart und sein Kuss leidenschaftlich. Mir kamen der flatternde Umhang eines Vampirs und ein schwarzer Ninja in den Sinn, bevor wir uns schließlich voneinander lösten.
    »Darauf habe ich gewartet, seit ich zwölf war.«
    Er grinste. »Gut, dass du

Weitere Kostenlose Bücher