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Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
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anderen in Seale House, war etwas umso mehr erv, je ekliger es war.
    Schleimiges Geschnetzeltes aus der Cafeteria: »Ihh! Das ist total ervig!«
    Schimmel im Kühlschrank: »Das ist ja total verervt!«
    Hundescheiße auf dem Gehsteig. »Vorsicht, tritt nicht in den E-r-v!«
    Ein struppiger dreibeiniger Kater: »Schau mal, der arme kleine Erv.«
    Nessas neues Parfum: »Hat hier jemand einen Erv fahrenlassen?«
    Ich spürte, wie Noah mich in der Dunkelheit ungläubig ansah. Jack und ich hatten unseren Insiderwitz nie erklärt. »Ich habe immer gedacht, Erv sei ein Wort, das ihr beide euch ausgedacht habt. Und jetzt erzählst du mir, dass jemand wirklich so hieß?«
    »Ja, na ja, für uns war es eine Form der Rache an einem Typen, den wir verachteten.«
    »Wer war das?«
    »Melodys Freund. Der Grund, warum wir abgehauen sind.«
    »Was ist geschehen?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Ich habe Zeit.«
    Es war so finster, dass ich kaum die Umrisse seines Gesichts erkennen konnte. Er schwieg jetzt und ich rechnete es ihm hoch an, dass er mich nicht drängte.
    »Bevor wir nach Watertown kamen, lebten wir in einem Vorort von Boston in einem winzigen Appartement. Wir hatten nicht viel, aber es war okay. Ich mochte meine Lehrer und Jack ging es genauso. Wir hatten nette Freunde.«
    In Gedanken sah ich meinen Bruder vor mir, wie er mit zwölf aussah, mit seinem zerzausten braunen Haar und Augen, die fast zu groß für sein Gesicht waren. Seine Knie waren fast immer aufgeschürft. Er konnte unglaublich ernst wirken, bis er plötzlich sein typisches freches Grinsen aufsetzte.
    »Melody arbeitete damals als Kellnerin. Aber eines Tages hat sie sich mit ihrem Chef verkracht. Daraufhin stahl sie in einem unbeobachteten Moment Geld aus der Kasse und brannte damit durch. Sie hat uns von der Schule abgeholt, nach Hause geschleift und dort mussten wir eilig zusammenpacken. Wir haben uns nie von unseren Freunden und Lehrern verabschieden, geschweige denn unsere Fächer in der Schule leer räumen können. Sie floh mit uns nach New York. Danach folgte eine Reihe weiterer Städte, in denen wir haltmachten. Schließlich gelangten wir nach Syracuse, wo sie Jack und mich bei ihrer Cousine Cheryl unterbrachte.«
    »Und wie war es dort?«
    »Nicht schlecht. Cheryl war Single und arbeitete als Anwaltsgehilfin. Ich weiß noch, dass sie unweit der Bücherei wohnte und es bei ihr oft Lasagne gab. Und sie besaß eine Katze namens Minkie. Sie war nett und hatte nichts dagegen, dass wir bei ihr wohnten. Wir wären gern bei ihr geblieben. Während sie bei der Arbeit war, putzten und saugten wir, und auch der Abwasch war immer gemacht, wenn sie zurückkam. Unser gemeinsames Leben funktionierte. Doch dann kam Melody zurück wie ein lästiger Bumerang. Sie kehrte immer irgendwann zurück. Bis zu dem letzten Mal, als Jack und ich vierzehn waren.«
    Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Auge. Über meine Mutter zu sprechen regte mich immer noch auf. »Melody war voller Tatendrang, weil sie einen neuen Typen aufgegabelt hatte. Erv. Sie sagte Dinge wie: ›Wartet, bis ihr Erv kennenlernt, er sieht wirklich gut aus. Er fährt einen schwarzen Jaguar und er spricht mit einem französischen Akzent.‹ Den ganzen Weg nach Gatineau in Quebec schwärmte sie von ihm.«
    »Ist das die Stadt, die man vom Peace Tower aus sehen konnte?«
    »Genau. Dort lebte er. Melody bestand darauf, uns herzurichten, bevor sie uns Erv vorstellte, damit wir hübsch aussähen. Zumindest hat sie uns das vorgegaukelt und naiv, wie wir damals waren, haben wir ihr das geglaubt. Zuerst hat sie uns neue Kleidung gekauft. Jack und ich bekamen die gleiche Kombination aus Jeans und T-Shirts. Dann ging sie mit mir zum Friseur.«
    Mir war unbehaglich zu Mute und ich fragte: »Willst du das wirklich alles hören, Noah? Sehr spannend ist es nicht.«
    »O doch.« Seiner Stimme war zu entnehmen, dass er ahnte, wie viel weiter diese Geschichte noch ging und wie schwer es mir fiel, all das wieder an die Oberfläche zu holen. Das half mir fortzufahren.
    »Zu der Zeit reichte mein Haar bis unter die Schulterblätter. Mir war bewusst, dass es ziemlich zottelig war, von daher hatte ich zuerst gar nichts dagegen, die Spitzen schneiden zu lassen. Doch dann sagte meine Mutter zu dem Friseur, meine Haare sollten ganz kurz geschnitten werden, wie bei einem Jungen. Ich wollte etwas einwenden, doch Melody brachte mich mit einem eisigen Blick zum Schweigen. Sie hätte mir den Kopf abgeschlagen, wenn ich nicht

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