...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
also mit ihm schlafen, wenn er es will?«
Tanja schaute Michaela fragend an. »Soll ich?«
»Das musst du selbst entscheiden. Willst du?«
»Wie soll man das wissen nach so kurzer Zeit?«
Michaela erinnerte sich, dass Tanja ihr dieses Angebot schon gemacht hatte. Nach nur wenigen Tagen. Nun ja, mittlerweile hatte Tanja ihre Liebesbeteuerungen eingestellt und schien etwas reifer mit den Dingen umzugehen.
»Wie lange kanntet ihr, du und Vanessa, euch, bevor ihr . . .?« fragte Tanja.
»Zehn Tage«, antwortete Michaela wahrheitsgemäß. »Aber das muss keine Zielmarke für dich sein.«
»Ich habe ein wenig Bammel davor. Wie du dir ja denken kannst, ist mein Erfahrungsschatz, was das betrifft, eher klein.«
»Aber du hast doch schon mal . . .?«
»Hm . . . na ja, . . . nein.«
Michaela bemühte sich, ihre Bestürzung zu verbergen. So wie Tanja sich an dem Abend verhalten hatte, als sie in der Disco waren – gespielt oder echt – war sie davon ausgegangen, sie hätte schon die eine oder andere Erfahrung gemacht. Wenigstens eine. Sie schluckte. »Meinst du, Christian ist der Richtige für das erste Mal?«
Tanja zuckte mit den Schultern. »Das wird sich ja dann herausstellen. Ich finde jedenfalls, ich habe lange genug gewartet.«
Michaela hatte kein gutes Gefühl dabei, aber was sollte sie machen? Sie selbst hatte Tanja ja eben gesagt, sie müsse allein entscheiden, was sie wolle. Und nun ging es Michaela ähnlich wie an dem Abend in der Disco. Nur diesmal konnte sie nicht hinter Tanja herrennen und sie davon abhalten, mit Christian zu gehen. Das hatte sie schon beim ersten Mal in eine megapeinliche Situation gebracht, aus der sie sich nur mit viel Glück aus der Affäre gezogen hatte.
So verbrachte Michaela den Abend in dem Bewusstsein, dass es passieren würde. Je mehr sie versuchte sich von dem Gedanken abzulenken, desto präsenter war er. Und es war weniger der Vorwurf, sie habe Tanja zu etwas getrieben, wozu sie möglicherweise noch gar nicht reif war, der ihr zu schaffen machte. Es war vielmehr eine innere Unruhe, die sie einfach nicht losließ und die dafür sorgte, dass sie schlecht gelaunt war. Gut, dass Vanessa zu einem Kursus war und erst übermorgen wiederkam. Da konnte Michaela wenigstens ungestört fluchen, während sie rastlos im Wohnzimmer auf und ab lief.
Warum führst du dich auf wie eine eifersüchtige Ehefrau? fragte sie sich. Um gleich darauf wieder zu leugnen: Quatsch, ich bin nicht eifersüchtig! Ich bin nur – beunruhigt. Aber worüber, Michaela? Nun ja, darüber, wie Tanja sich nach diesem Abend, von dem sie sich so viel erhofft, fühlen wird natürlich.
Du meinst, du hast Angst, dass Tanja morgen himmelhochjauchzend, auf Wolke sieben schwebend, zu dir kommt und in höchsten Tönen von Christian schwärmt. Sie wird vielleicht ihre Zeit in Zukunft lieber mit Christian verbringen als mit dir.
Aber das wolltest du doch. Dann bist du endlich raus aus der Sache rund um die Kanterschen Familienprobleme. Mit einer 1a-Erklärung gegenüber Kanter. Tanja hat sich verliebt, da hat sie keine Zeit für eine Freundin. So ist das nun mal bei Verliebten. Was kann er dagegen sagen? Nichts.
Ja schon, aber . . . Was aber? Nichts aber! So ist es das beste. Das Paar Tanja und Christian ist die Fahrkarte in deine neue alte Unabhängigkeit. Freu dich, Michaela.
Doch so sehr sie auch darauf wartete, es kam keine richtige Freude auf. Was soll’s. Dann eben nicht.
Michaela ging zu Bett, schlief unruhig, wachte früh auf, war ausnahmsweise die erste im Büro, wo sie sich in die Arbeit stürzte. Damit nicht genug, nahm sie sich den Rest mit nach Hause.
Erst Tanjas Anruf unterbrach Michaela in ihrem Tatendrang.
»Können wir uns irgendwo auf einen Kaffee treffen?« fragte Tanja. Ihre Stimme klang aufgewühlt.
Michaela schaute auf die Uhr. Halb sieben. Muss ja ’ne tolle Nacht gewesen sein, wenn du erst jetzt anrufst. Wahrscheinlich hast du den ganzen Tag gebraucht, um dich davon zu erholen. Und wie Michaela befürchtet hatte, wollte Tanja jetzt offenbar auch diese Episode mit ihrer Freundin teilen.
»Ich habe Kopfschmerzen«, täuschte Michaela vor, denn sie hatte nicht vor, in Tanjas strahlendes Gesicht zu blicken, wenn die von ihrer Nacht mit Christian erzählte. »Wahrscheinlich habe ich zuviel am PC gearbeitet.«
»Dann schalt das Ding aus. Ich komme vorbei und muntere dich ein wenig auf«, erwiderte Tanja. Sie legte auf, bevor Michaela sie davon abhalten konnte.
Schöne
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