...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Personalchef.
»Darf ich das als Zustimmung werten?«
»Na schön, meinetwegen.«
Michaela ging vom Büro des Personalleiters direkt in ihr eigenes, wo Tanja ungeduldig auf sie wartete. »Na, was hat er gesagt?«
»Er hat zugestimmt. Was sonst? Immerhin bist du die Tochter des Chefs. Mehr Empfehlung braucht es nicht.«
Tanja seufzte. »Genau das wollte ich vermeiden.«
»Du wirst dich daran gewöhnen müssen«, meinte Michaela lakonisch. Tanja machte ein unglückliches Gesicht. Michaela lächelte verschmitzt. »Es sei denn, du beweist, was in dir steckt. Ich persönlich habe keinen Zweifel, dass da sehr viel ist. Du bist eine aufrichtige, kluge, selbstbewusste junge Frau. Du hast jede Menge Potential. Die Frage ist nur: Was fängst du mit alldem an?«
»Jetzt redest du wie mein Vater«, schmollte Tanja.
Michaela lehnte sich leger gegen den Schreibtisch, wartete, dass Tanja sie ansah. »Ich glaube, ich muss dir mal etwas sagen, Tanja.« Das Lächeln verschwand aus Michaelas Gesicht, ihr Ausdruck wurde ernst. Sie sprach leise, mit ruhiger Stimme. »Versteh mich nicht falsch, aber im Grunde, was deine bisherige Einstellung zur Firma deines Vaters anbetrifft, kann ich deinen Vater sehr gut verstehen. Er muss den Eindruck haben, dass du nicht zu schätzen weißt, was er erreicht hat. Er will doch auch nur, dass du ihn achtest und stolz auf ihn bist. So, wie du dir das von ihm wünschst. Du hast ihn mit deiner Absage genauso verletzt, wie er dich verletzt hat. Ich finde, ihr seid jetzt quitt. Deshalb bin ich sehr froh, dass du das hier machen willst. Meine Hoffnung ist, du tust es nicht nur um meinetwillen, sondern auch um deinetwillen. Wenn ich das erreicht habe, war es alles andere wert.«
Tanja hatte still zugehört. Beim letzten Satz horchte sie auf. »Was meinst du?«
Michaela biss sich auf die Zunge. »Ach nichts. Nur so.«
»Vanessa?« vermutete Tanja zaghaft.
Michaela, dankbar für die einleuchtende, wenn auch falsche Erklärung, nickte. »Ja.«
»Tut es sehr weh?«
Michaela seufzte. Nein, erstaunlicherweise tat es das nicht. »Es war sowieso vorbei. Ich habe es wohl nur nicht sehen wollen.«
Tanja ging zu Michaela, strich ihr sanft über den Arm. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
Nein, ganz sicher nicht, dachte Michaela. Aber ich dich. Sie fühlte Tränen aufsteigen.
Auch Tanja sah, wie Michaelas Augen feucht wurden. Natürlich interpretierte Tanja die ganze Situation falsch. Sie glaubte, Michaela sei wegen ihrer Trennung von Vanessa so unglücklich. Auch wenn Tanja es nicht verstand – in ihren Augen war Vanessa keine Frau, in die man sich verlieben konnte –, versuchte sie Michaela zu trösten. Sie nahm sie in die Arme, strich sanft über Michaelas Rücken. »Wein ruhig. Das ist schon in Ordnung. Ich halte dich fest. Ich bin deine Freundin, das weißt du doch, oder? Mit mir kannst du über alles reden.«
Diese Worte waren zuviel für Michaela. Nun war sie kurz davor, richtig loszuheulen. Sie fühlte, wie ihr die ersten Tränen die Wangen hinunterkullerten. Reiß dich ja zusammen, Michaela! befahl sie sich. Wehe, du flennst hier los! Sie löste sich aus Tanjas Umarmung, lächelte verlegen. »Tut mir leid. Wie peinlich.« Michaela versuchte ihre Wangen mit dem Handrücken zu trocknen.
»Das muss dir doch nicht peinlich sein.«
»Ist es aber. Besonders hier im Büro. Ich habe mich bisher für professionell genug gehalten, meine privaten Sorgen draußen zu lassen. Von einer Managerin darf man das erwarten.«
»Aber es hat ja niemand weiter gesehen, außer mir. Dein Image ist also völlig unbeschadet«, beruhigte Tanja sie, strich sanft über Michaelas gerötete Wange. »Trotzdem solltest du dir jetzt besser das Gesicht trocknen. Dann warten wir noch fünf Minuten, bis deine Gesichtsfarbe einige Nuancen blasser und deiner würdevollen Stellung in diesem Haus mehr angemessen ist, bevor du mich in selbigem herumführen und mit den einzelnen Abteilungen vertraut machen wirst.«
Michaela dankte Tanja mit einem warmen Blick. »Entschuldige mich kurz«, bat sie und verschwand zur Toilette. Glücklicherweise kam ihr auf dem Gang niemand entgegen. Während sie sich das Gesicht wusch, fragte Michaela sich besorgt, wie es zu diesem Gefühlsausbruch hatte kommen können. Es gab keinerlei Anzeichen dafür. Ohne jede Vorwarnung waren ihr die Tränen in die Augen geschossen. Seit wann hatte sie so nah am Wasser gebaut?
Als sie sich gewaschen hatte und im Spiegel ansah, blickte Michaela in das ihr
Weitere Kostenlose Bücher