...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
doch nur zu ihrem Besten«, versicherte Walter Kanters Stimme.
»Ja, schon. Trotzdem. Ich bin froh, dass es nun vorbei ist. Ich glaube, Tanja ist auf dem Weg, den Sie für sie gewünscht haben. Mehr kann ich nicht tun.«
»Ich werde sofort alles veranlassen, damit Sie Ihre Stelle als Hotelmanagerin auf Gomera antreten können. Wie versprochen. Ein paar Tage wird es noch dauern, bis ich jemanden für die Stelle hier habe. Aber dann bekommen Sie Ihre neue Aufgabe.«
Tanja hatte genug gehört. Leise machte sie kehrt. Mit wackligen Schritten ging sie zur Treppe, die in die Tiefgarage führte, wo ihr Wagen stand. Tränen schossen ihr in die Augen, ließen die Konturen der Stufen verschwimmen. Sie stolperte mehrmals, bevor sie ihren Mini erreichte. Als ihre zitternden Hände endlich die Tür aufgeschlossen bekamen und sie sich auf den Fahrersitz fallenlassen konnte, sank Tanja in sich zusammen. Dumpfe Leere machte sich in ihr breit. Michaelas Freundschaft war eine einzige Lüge! Vom Tag ihres Kennenlernens an? Ich bin froh, dass es nun vorbei ist , hatte Michaela gesagt. In ein paar Tagen würde sie ein Hotel auf den Kanaren leiten. Das war der Lohn des Betruges. Vater hat sich wirklich nicht lumpen lassen!
Mehrere Minuten saß Tanja bewegungslos, in sich ganz taub. Immer noch rannen Tränen über ihre Wangen, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen außer dem einen: Lüge, alles war eine Lüge. Michaelas Aufmerksamkeit, Vaters plötzliches Bemühen um Vertrautheit – alles nur Teil eines Planes. Alles falsch, alles nur ein schöner Traum, aus dem sie gerade unsanft erwachte.
Fassungslosigkeit machte sich in Tanja breit. Besonders über das Ausmaß von Michaelas Lüge. Wie hatte sie sich derartig verstellen können? Wochenlang gab sie vor, eine Freundin zu sein. Und warum? Wegen eines Jobs!
Zur Fassungslosigkeit gesellte sich allmählich Verbitterung. Was jammerst du, Tanja? Du kennst doch deinen Vater! verhöhnte sie sich selbst. Du weißt, er bekommt immer, was er will. Du solltest dankbar sein, dass Michaela nicht eines deiner vielen offenherzigen Angebote angenommen und die Situation ausgenutzt hat. Die Betrügerin bekommt eine Eins im Fach Fairness.
Nach Minuten der Enttäuschung schnaubte Tanja nun innerlich vor Wut. Dass die beiden ihr ein derartiges Theater vorspielten! Über Wochen! Das würde sie ihnen nicht verzeihen. Nie!
Schön und gut, Tanja. Aber was willst du jetzt machen? Willst du deinen Vater und Michaela damit konfrontieren, dass du ihnen auf die Schliche gekommen bist? Was brachte das? Zuerst Entschuldigungen, dann endlose Diskussionen. Zumindest mit ihrem Vater. Mit Michaela hatte sie nichts zu diskutieren.
Wenn sie dagegen weitermachte, so tat, als wäre alles in Ordnung, konnte sie in Ruhe überlegen, wie sie sich revanchieren wollte. Sie würde den beiden eine Lehre erteilen, an der sie lange zu knabbern hätten, besonders Michaela. Schließlich war sie es, die das falsche Spiel mit ihr trieb.
Tanja kam kurz der Gedanke, dass es ungerecht war, das Werkzeug härter zu strafen als den Werkzeugführenden. Sie verdrängte ihn. Ihre Wut war zu groß, um gerecht zu sein.
14.
T anjas Plan war einfach. Da Michaela so viel daran lag, die Stelle als Hotelmanagerin zu bekommen, dass sie ihr sogar eine Freundschaft vorspielte, würde sie ihr diese Sache erst einmal vermasseln.
Wenn sie ihrem Vater sagte, sie wäre bereit für den Einstieg in die Firma unter der Bedingung, dass Michaela, ihre »Freundin«, ihr zur Seite stünde, in dem sie ihre persönliche Assistentin würde, was würde er wohl tun? Sein Versprechen gegenüber Michaela halten oder seiner Tochter geben, was sie wollte, damit sie tat, was er wollte?
Das war aber nur ein Teil des Plans, schnell erledigt. Für den anderen Teil wollte Tanja sich Zeit lassen, ihn genießen.
Michaelas Freundschaft war geheuchelt, das wusste sie nun. Doch etwas anderes war es nicht. Tanja war sich sicher, als Michaela sie an diesem Abend küsste, war da Begehren im Spiel gewesen. Das würde sie ausnutzen, um Michaela einmal so richtig vorzuführen. Genauso wie Michaela sie vorgeführt hatte.
Sie würde Michaela dazu bringen, ihre Beherrschung zu verlieren, in ihrer Leidenschaft ihr Innerstes nach außen zu kehren – und ihr dann das Stillen der Begierde verweigern. Statt dessen würde sie Michaela sagen, dass sie nichts für sie empfand als Verachtung. Dann wären sie quitt. Sie würde Michaela auf die dämlichen Kanaren schicken, wo sie
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