...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
dann sage ich dir das. Und dann bin ich durchaus in der Lage, mir ein Taxi zu rufen. Oder meinetwegen auch dich darum zu bitten, es zu tun. Verstehst du?« Tanjas Stimme klirrte förmlich. Aber sie war Michaelas, wie sie meinte: zur Schau gestellte, Sorge einfach leid. Schon als Tanja noch glaubte, sie wäre echt, fand sie sie gelegentlich übertrieben. Nun war sie ihr geradezu unerträglich.
Michaela schaute Tanja erschrocken an. So hatte sie noch nie mit ihr gesprochen. »Ja, ich verstehe. Das war ja deutlich genug.«
Michaela ging. Tanja schlug den Ordner mit den Bilanzen zu, starrte vor sich hin.
Du musst dich besser beherrschen, Tanja. So kann das auf keinen Fall bleiben. Du musst akzeptieren, dass Michaela da ist. An deiner Seite. Du hast sie selbst dort hinbeordert.
Für den Moment war es zu spät, die Sache rückgängig zu machen. Michaela würde mit ihr diese Reise unternehmen. Alle Termine waren zugesagt. Wenn sie zurückwären, würde sie ihrem Vater sagen, sie wollte eine andere Assistentin. Irgendein Grund würde ihr schon einfallen.
Tja Tanja, das kommt davon, wenn man sich für besonders schlau hält. Du bist eben nicht der Mensch für Rachefeldzüge. Das hättest du wissen müssen.
15.
» W elcome to the Bluebird , Miss Kanter.«
Tanja lächelte dem Hotelmanager freundlich zu. »Nice to see you, Mister Finch.«
Der hochgewachsene, elegant aussehende Mann neigte leicht den Kopf. »Sie können gern Deutsch sprechen. Ich bin sehr bestrebt, meine Deutschkenntnisse – wie sagt man? – nicht einrosten zu lassen.«
»Well, it’s your choice. Darf ich Ihnen meine Assistentin vorstellen? Frau Dietz.« Tanja deutete auf Michaela.
Ein Kopfnicken Finchs in Michaelas Richtung. »Sehr erfreut, Frau Dietz.«
Michaela nickte ebenfalls. »Mister Finch.«
Der Hotelmanager wandte sich wieder an Tanja. »Ich habe ein Programm für Ihren Aufenthalt bei uns erstellt und hoffe, es deckt sich mit Ihren Wünschen.«
»Ich bin sehr gespannt«, sagte Tanja.
»Unsere Küche hat ein kleines Welcome-Büfett vorbereitet, an dem die Direktoren des Hauses teilnehmen werden. Anschließend wird mein Assistent Sie durch die einzelnen Bereiche führen. Ihr Abendessen nehmen Sie sicher lieber privat ein. Geben Sie einfach im Restaurant Bescheid, wann Sie zu speisen wünschen. Wenn Sie mögen, am späteren Abend unser Sommelier würde sich freuen, Ihnen einige Kostproben seines Weinkellers zu offerieren. Morgen Vormittag darf unser Guide Sie dann zu einer kleinen Tour durch London begrüßen. Ihre Maschine nach Kopenhagen startet, soweit ich informiert bin, um dreizehn Uhr. Die Tour wird ihren Abschluss am Flughafen finden. Wenn Sie jetzt Ihre Suite in Augenschein nehmen wollen?«
»Sehr gern.«
»Ihr Zimmer, Frau Dietz, ist ebenfalls für Sie vorbereitet. Das Gepäck wurde bereits hinaufgebracht.« Finch gab einem der Hotelpagen ein Zeichen, Michaela zu begleiten. Er ließ es sich nicht nehmen, Tanja persönlich zu deren Suite zu führen, die natürlich in einer anderen Etage lag als Michaelas Zimmer. »Das Büffet beginnt in einer halben Stunde in einem separaten Teil des Restaurants. Der Page wird Sie und auch Ihre Assistentin abholen.« Er nickte Tanja noch einmal zu, dann ließ er sie allein.
Das Büfett hätte eine Armee sättigen können, dabei war es nur für ein paar Abteilungsleiter und den Besuch gedacht. Tanja kam automatisch der Spruch Vornehm geht die Welt zugrunde in den Sinn.
Die Atmosphäre während des Genusses soviel übertriebenen Luxus’ war angepasst formell. Man brachte Tanja Respekt entgegen, gab ihr bereitwillig Auskunft auf ihre Fragen. Allerdings spürte sie deutliche Zurückhaltung, sobald sie etwas sensiblere Themen anschnitt. Sie wolle sich doch die entspannte Atmosphäre nicht mit trockenen Bilanzzahlen verleiden? Tanja hatte schon geahnt, dass es schwierig werden würde, das Eis zu brechen. Englische Zurückhaltung eben. Dann musste sie wohl die Taktik ändern. Tanja stellte ihre Fragen ein und bat im Anschluss an den Empfang den Hotelmanager kurzerhand um ein vertrauliches Gespräch. Um einem erneuten Ausweichversuch vorzubeugen, ließ sie vorsichtshalber etwas Autorität durchscheinen, aber nicht zu viel, damit sie Finch nicht auf den Schlips trat. Sie machten einen Termin für den nächsten Morgen.
Michaela verfolgte Tanjas ersten Auftritt mit Interesse – und leichter Besorgnis. Was hatte Tanja vor? Soweit Michaela wusste, hatte Tanja von ihrem Vater nur eine Aufgabe mit
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