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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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Ich werfe es dir nicht vor. Auch nicht, dass du meine Entschuldigung nicht akzeptieren willst. Ich kann dich nicht zwingen, mir zu verzeihen.«
    Tanja sah nun auf. Immer noch erwiderte sie nichts.
    So dass Michaela hinzufügte: »Ich weiß, du bist unheimlich enttäuscht. Und ich bewundere dich, wie gefasst du dennoch bist. Aber es macht mir auch angst. Denn genauso weiß ich, dass du ein Mensch mit intensiven Gefühlen bist. Wenn du einfach so tust, als wäre nichts, belügst du nicht nur die anderen, sondern vor allem dich selbst. Deine Wut zu unterdrücken hilft dir nicht, diese ganze Sache zu überstehen.«
    »Was soll ich deiner Meinung nach machen?« fragte Tanja. »Dich anschreien? Was würde das helfen, was würde das ändern?«
    »Seine Wut herauszuschreien ist in jedem Fall besser, als sie in sich hineinzufressen. Unterdrückte Wut erzeugt nur Bitterkeit. Bitterkeit erzeugt Schweigen. Schweigen erzeugt Einsamkeit. Genauso hast du es bisher immer gemacht. Auf die Art habt ihr, dein Vater und du, euch entfremdet. Und weil ihr euch entfremdet habt, griff er zu dieser Lüge. Es ist eine Spirale ohne Ende, wenn du dich jetzt wieder in dich zurückziehst.«
    Tanja schwieg, dachte über Michaelas Worte nach. »Du willst mir damit sagen, dass ich indirekt schuld bin an dem, was passiert ist?«
    Michaela schüttelte den Kopf. »Aber nein, es geht hier doch überhaupt nicht darum, den oder die Schuldigen zu bestimmen.«
    »Sondern?«
    »Es ging die ganze Zeit, und geht immer noch, nur um dich. Hast du das nicht bemerkt?« fragte Michaela mit sanfter Stimme.
    Tanja schloss für einen Moment die Augen. »Aber . . . gab es denn keine andere Möglichkeit . . . eine weniger demütigende?«
    Michaela hob bedauernd die Hände. »Ich weiß es nicht.«
    Wieder entstand Schweigen. Sie tranken ihren Cappuccino. Nach einigen Minuten sagte Tanja leise: »Gut, ich werde nach unserer Rückkehr mit meinem Vater über alles reden. . . . Aber wir beide . . . Das ist etwas anderes. Das siehst du doch ein?«
    Michaela nickte und seufzte. »Ja.«
    »Ich bin einfach zu sehr enttäuscht.«
    »Wenigstens haben wir endlich in Ruhe darüber geredet.«
    Tanja sah Michaela ernst an. »Das macht die Enttäuschung leider nicht geringer.«
    Dennoch spürte sie, wie ein Teil der Anspannung, die sie seit Tagen beherrschte, von ihr abfiel. Sie glaubte, dass es ihr über kurz oder lang möglich sein würde, Michaela in die Augen zu sehen, ohne sich ausschließlich an deren Betrug zu erinnern. Mit dieser Einsicht wich die innere Wut einer Traurigkeit, die zwar tief saß, sich aber gleichzeitig auch ruhig anfühlte.
    Zurück im Hotel arbeiteten sie weiter.
    »So, fertig«, sagte Michaela nach einer weiteren Stunde. »Ich mache schnell noch ein paar Grafiken, und dann hast du schon fast eine fertige Präsentation, wenn du nach Hause kommst. Dein Vater wird nicht übermäßig begeistert sein. Er hält nicht viel von Statistiken.«
    Tanja winkte ab. »Ja, ja, ich kenne seine Sprüche: Statistik ist die größte Lüge der Welt, traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast und so weiter. Aber ob er es nun wahrhaben will oder nicht: Zahlen belegen am besten, wie es in einem Unternehmen wirklich aussieht.«
    »Aber die Atmosphäre, das Arbeitsklima, das alles spielt doch auch eine wichtige Rolle«, gab Michaela zu bedenken. »Die kannst du nicht in Zahlen ausdrücken, Tanja.«
    Tanja schaute Michaela offen an. »Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich will auch nicht die sein, die neu daherkommt und alles auf den Kopf stellt, nur um sich zu beweisen, wie du vielleicht immer noch denkst. Es liegt nicht in meiner Absicht, ein Stechuhrensystem einzuführen oder so etwas. Dennoch, ich bin nun mal der Meinung, dass ein Teil der Bilanzen besorgniserregende Zahlen vorweist. Du stimmst mir sicher zu, dass ich als eine der Verantwortlichen der Firma da reagieren muss. Diese Antrittsreise ist genau richtig, um mir ein Bild von allem zu machen. Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich meine Entscheidungen vom Schreibtisch aus treffe.«
    Michaela horchte auf. Bisher hatte Tanja nur in Allgemeinfloskeln gesprochen, wenn sie von Veränderungen redete. Nun sprach sie von konkreten Entscheidungen. »Was für Entscheidungen meinst du?«
    »Zum Beispiel die, unsere Wirtschaftsdirektoren aufzufordern, mit ihren Zulieferern härter zu verhandeln, gegebenenfalls zu wechseln, auch wenn das etwas Unruhe in die gewohnten Abläufe bringt. Oder die,

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