...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
hatte, was, und nun darauf wartete, was über sie hereinbrechen würde.
»Ich bin es leid. Wirklich verdammt leid«, begann ihr Vater verärgert. »Erst du und nun die Dietz.«
Tanja verstand immer noch kein Wort. »Kannst du dich etwas klarer ausdrücken?«
»Erst schießt du quer, und nun, wo das endlich geregelt ist, wirft mir Frau Dietz alles vor die Füße. Was hast du ihr getan?«
»Ich ihr? Na hör mal. Umgedreht wird ein Schuh draus, wie du ja wohl sehr gut weißt. Aber auch mit Michaela habe ich mich ausgesprochen.«
»Und warum kündigt sie dann?«
Jetzt war Tanja sprachlos.
Ihr Vater dagegen war in Rage. Es sprudelte nur so aus ihm heraus. »Ich verstehe diese jungen Dinger nicht. Die eine will zunächst nichts von der Firma wissen, verweigert jede Beteiligung, dann – fast von einem Tag auf den anderen – entscheidet sie sich plötzlich um und will am besten gleich die ganze Firma umkrempeln. Die andere will, jedenfalls dachte ich das bis heute, um jeden Preis eine Führungsposition, je mehr Verantwortung, desto besser, und dann plötzlich – nein danke.«
»Michaela hat gekündigt?« flüsterte Tanja mehr zu sich als zu ihrem Vater.
»Ja verdammt, davon rede ich doch die ganze Zeit.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Ha, ja. Persönliche Gründe. Das war alles. Also? Was ist los? Du musst doch etwas wissen. Schließlich seid ihr beide Freundinnen.«
»Wie man es nimmt.« Genau das war es ja, was Tanja nach wie vor nicht einordnen konnte. Wie Michaela wirklich zu ihr stand. Wie echt oder unecht ihre Gefühle waren. Über welchen Grad der Zuneigung sie sprachen. War es Freundschaft, war es Verlangen oder was? Tanja wusste es beim besten Willen nicht zu sagen.
»Sie hätte dich kaum dazu gebracht, dich mit mir auszusprechen, wenn sie nicht in dich reingeschaut hätte. Und da sie sich nun einmal diese Mühe gemacht hat, glaube ich schon, dass sie wirklich deine Freundin ist.«
»Im Gegensatz zu dir habe ich Michaela ihr Verhalten nicht verziehen, und das weiß sie«, sagte Tanja und sah ihren Vater offen an. »Ich konnte nicht.«
Walter Kanter, eben noch hohe Gestalt und aufbrausend, sank in sich zusammen, ließ sich in seinen Stuhl fallen. »Ach Tanja. Es tut mir so leid, was passiert ist, das weißt du. Und dass eine Entschuldigung nicht genug ist, das weiß ich auch. Aber warum siehst du es mir nach und Frau Dietz nicht? Sie trägt nicht die Verantwortung dafür.«
»Doch. Genau wie du.«
»Na schön. Aber mir hast du doch auch verziehen.«
»Du bist mein Vater. Ich kenne dich, solange ich denken kann. Ich habe mich an deine Fehler gewöhnt.« Tanja lächelte traurig. »Sie ist . . .«
». . . nur meine Angestellte, ich weiß, aber . . .«
»Sie ist die Frau, die ich geliebt habe. Bis . . . bis ich davon erfuhr.«
Walter Kanters Körper richtete sich schlagartig wieder auf. Sein Kopf fuhr in die Höhe. »Was? Du . . . aber . . . Ich habe gar nicht gewusst, dass du . . . dass du und sie . . .« Er brach ab. Dann kam ihm die Erkenntnis: » Sie hat dich verführt!«
Tanja schüttelte nachsichtig mit dem Kopf. »Nein. Ganz im Gegenteil, Vater. Sie hat alles getan, es zu verhindern. Und am Ende . . . ist es ihr dann ja auch gelungen, meine Gefühle für sie . . . absterben zu lassen.« Oder doch nicht? Wenn deine Gefühle so tot wären, wie du sagst, warum tut es dann immer noch so weh?
Walter Kanter atmete sichtlich erleichtert auf. Er räusperte sich umständlich. »Na dann. Hm. Immerhin, anständig von ihr, sich jetzt zurückzuziehen.«
Tanja sah ihn an. »Bist du dir im klaren, Vater, dass Michaela durch uns alles verloren hat, was sie hatte? Ihren Job und ihre Lebenspartnerin.«
»Ist das wahr?« Kanter schaute unbehaglich drein. »Aber was ihr privat passiert, darauf habe ich doch keinen Einfluss. Und sie hätte ja nicht kündigen müssen .«
»Ach nein? Kein Einfluss auf ihr Privatleben? Wie nennst du es, wenn du ihr eine Freundin aufzwingst? Und was die Kündigung betrifft: Doch, sie musste es tun. Weil sie zu anständig ist.« Tanja hätte nie geglaubt, dass sie das noch einmal über Michaela sagen würde. Müde stand sie auf. »Vielleicht habe ich ja dem falschen von euch beiden verziehen.«
Damit ließ sie ihren Vater allein. Der saß ziemlich perplex in seinem Sessel. Diese Erklärung für die Kündigung seiner Mitarbeiterin hatte er nicht erwartet.
Tanja ging zurück in ihr Büro. Das Gespräch mit ihrem Vater regte sie immer noch auf.
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