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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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den Job sausen lassen, nicht für Tanja.
    Tanja wischte sich mit der Hand übers Gesicht, kämpfte gegen den Tränenfluss an. Und du wolltest ihr nicht im Wege stehen? Das stand nie zur Debatte, jedenfalls nicht für Michaela.
    Die Augen immer noch mit Tränen gefüllt, lief Tanja zu ihrem Mini, startete den Motor und fuhr los. Sie sah zu spät in den Rückspiegel. Der herankommende LKW riss den gerade aus der Parklücke rollenden Mini wie ein Papierauto mit, quetschte ihn zwischen sich und den anderen parkenden Wagen ein. Tanja bekam nur den Aufprall mit. Danach versank sie in dunkle Stille.

22.
    W alter Kanter sah auf die unübersichtliche Anordnung von Schläuchen und Apparaten. In all dem konnte er seine Tochter kaum ausmachen, so blass und schmal lag sie in dem Bett. Nur der Ton von Tanjas Herzfrequenz, ausgesandt von einem der Apparate, durchbrach die beängstigende Stille in dem kleinen Raum der Intensivstation.
    Vorsichtig nahm Walter Kanter die Hand seiner Tochter, erschrak, wie kalt sie war. Die Ärztin neben ihm legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. »Sie hat wirklich sehr viel Glück gehabt, Herr Kanter.«
    Walter Kanter sah die Ärztin an. »Wird sie wieder in Ordnung kommen?«
    »Es ist zu früh, darüber etwas zu sagen«, sagte sie leise. »Die Rippenbrüche und der Armbruch sind nicht so schlimm. Was uns Sorgen macht, ist die Kopfverletzung. Auf dem CT sind Blutungen des Gehirns zu erkennen. Bisher nur von geringem Ausmaß. Aber wenn sie stärker werden und der Hirndruck steigt, müssen wir operieren.«
    »Was hieße das?« fragte Kanter mit gepresster Stimme.
    Die Ärztin bedeutete ihm, ihr zu folgen. Im Vorraum erklärte sie Walter Kanter: »Die Schädeldecke wird geöffnet, um Blutergüsse zu entfernen und die Blutungen zu stillen, damit die Schwellungen im Gehirn entlastet werden. Ansonsten kann es zu dauerhaften Schädigungen kommen. Sprachstörungen oder andere Lähmungen.«
    »Wann wissen Sie mehr?«
    »In ein, zwei Tagen haben wir eine vorläufige Diagnose. Aber auch Wochen nach dem Unfall kann eine langsame Sickerblutung noch problematisch werden. Ihre Tochter wird in jedem Fall einige Zeit in der Reha bleiben müssen, um sie zu überwachen.«
    Kanter seufzte. »Wenn Tanja nur gesund wird.«
    »Ihre Tochter bleibt jetzt zwei Tage auf Intensiv, dann kommt sie auf Station«, erklärte die Ärztin. »Sobald ihre Rippenbrüche ausgeheilt sind, kann sie in die Reha wechseln.«
    »Wann kann ich sie wieder besuchen?«
    »Jederzeit, so oft Sie wollen. Wenden Sie sich an mich, wenn Sie Fragen haben. Mein Name ist Doktor Erling.«
    Kanter sah die hochgewachsene Frau an. »Danke, Doktor.«
    Sie lächelte ihm aufmunternd zu und ging.
    Walter Kanter stand vor der großen Glasscheibe, hinter der seine Tochter schlafend lag. In ihm arbeitete es. Tanja so liegen zu sehen, sich ihres beinahen Verlustes bewusst, brach alte Wunden auf. Erinnerungen, die er vergessen glaubte, stürmten auf ihn ein, legten sich beklemmend um sein Herz. Der Tod seiner Frau, der eine tiefe Leere in ihm hinterlassen hatte. Der lange Leidensweg seiner Tochter nach dem Unfall, der ihn jeden Tag schmerzlich an diese Leere erinnerte, und aus der er nur einen Ausweg sah: Die Flucht in die Arbeit. Eine Flucht, die zur langsamen Entfremdung zwischen ihm und Tanja geführt hatte.
    Walter Kanter hatte es sich nie eingestanden, aber in diesem Moment tat er es: Du hast deine Tochter damals im Stich gelassen. Du hast die Kluft zwischen euch geschaffen. Du warst ein miserabler Vater.
    »Herr Kanter?« hörte er hinter sich die leise Stimme Doktor Erlings. Er drehte sich um.
    »Ich vergaß Ihnen zu sagen, die Sachen Ihrer Tochter, die sie bei der Einlieferung anhatte, und ihre Papiere liegen in der Unfallstation zur Abholung bereit. Und Ihre Tochter braucht ein paar persönliche Dinge, wenn sie ab übermorgen auf Station liegt. Zahnbürste etc.«
    »Ich kümmere mich darum. Und ich möchte, dass sie ein Einzelzimmer bekommt.«
    »Selbstverständlich.«
    »Lassen Sie bitte ein Sofa mit hineinstellen. Ich werde bei meiner Tochter übernachten.«
    Die Frau nickte. »Wie Sie wünschen.« Dann ging sie.
    Kanter sah ihr nach, drehte sich dann wieder zur Glasscheibe. Ich werde denselben Fehler nicht noch einmal machen, Tanja. Diesmal bleibe ich bei dir. Tanja sollte wissen, dass sie dem Richtigen verziehen hatte. Er war ihr Vater, und auch, wenn es nicht immer so aussah, er war ihr Verzeihen wert.
    Tanja wurde am Morgen des dritten Tages auf

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