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Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Titel: Und wenn es die Chance deines Lebens ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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verfolgt,wie er es sich vorgenommen hatte. Und jetzt bat ihn auf einmal ein ihm unbekannter Mann, noch dazu ein toter Mann, mit einem bestimmten Zug zu fahren. Ein paar Tage später mit einem Boot. Anschließend sollte er sich einen Garten ansehen. Er lockte ihn mit impressionistischen Landschaften und einer Schnitzeljagd. Der Tote verfügte einfach über seine Zeit und legte Termine für ihn fest. Das war verrückt!
    Frédéric hasste diesen Mann. Für wen hielt er sich denn, dieser Marionettenspieler, der mit seiner Fantasie sein Spiel trieb und alle Fäden verwirrte? Dieser Fabrice Nile, dieses Phantom, dem ein Geruch nach Nachtlagern auf Parkbänken anhaftete? Der ihn zu diesem unberechenbaren Abenteuer aufforderte?
    Es begann zu schneien. Die eisigen Schneeflocken fielen auf Frédérics Gesicht, und er bemerkte, dass er seit einer Weile auf einen Abfallkorb aus grünem Drahtgeflecht starrte, der neben den Blumenbeeten stand. Ein Parkangestellter würde ihn bald leeren. Frédéric seufzte. Ja, er könnte sein sonderbares Erbe einfach in den Papierkorb werfen. Er stellte es sich bildlich vor: die leere, zusammengefaltete Pappschachtel; die Fahrscheine und Eintrittskarten, die auf den Boden des Papierkorbs fielen; die Plastikrolle, die herausguckte, wodurch der Deckel des Papierkorbs einen Spaltbreit aufklaffte. Wenn er das alles in den Papierkorb warf, wäre die Angelegenheit Fabrice Nile erledigt, mitsamt seinen Zügen, seinen Malern und seinen Überraschungen. Frédéric würde wieder sein gewohntes Leben führen. Und er würde seine Nächte damit verbringen, über zwei Wörter nachzugrübeln, die so winzig waren wie die Fußspuren der Vögel: Und wenn ...?
    Es gab natürlich noch eine dritte Möglichkeit. Frédéric nahm sein Handy aus der Tasche und wählte mit eiskalten Fingern Pétronilles Nummer.
    »Pétronille. Würden Sie bitte etwas für mich recherchieren? Fabrice Nile, N-i-l-e, Fabrice. Er ist kürzlich verstorben und wurde in Nantes beigesetzt. Weitere Details schicke ich Ihnen per E-Mail zu. Ich muss alles wissen, was Sie über ihn in Erfahrung bringen können.«
    Pétronille versicherte ihm, sie werde sich bemühen, Informationen über den Mann zu finden. Dann fragte sie ihn schüchtern, ob sie wohl die drei Tage vor Weihnachten Urlaub bekommen könne, weil ihre Eltern ihren 40. Hochzeitstag feierten. Frédéric erklärte ihr jedoch, er fände es nicht in Ordnung, dass sie ausgerechnet jetzt Urlaub nehmen wolle, während im Fall Witherspoon so viel zu tun sei. Sie war enttäuscht, doch Frédéric brachte für ihre Befindlichkeiten keinerlei Verständnis auf. Schließlich bezahlte er Pétronille aus eigener Tasche. Er arbeitete 70 Stunden pro Woche und brauchte jemanden, der sich um seine persönlichen Angelegenheiten und seinen privaten Terminkalender kümmerte. Pétronille machte ihre Arbeit recht gut, aber ihre zahlreichen familiären Verpflichtungen gingen ihm allmählich auf die Nerven. Frédéric würde sie zur Eile antreiben müssen, damit sie schnell etwas über diesen Unbekannten herausfand. Er wollte wissen, was es mit diesem mysteriösen Fabrice Nile auf sich hatte, ehe er in den Zug stieg. Das wäre in vier Tagen.
    Frédéric nahm Schachtel und Rolle und eilte zu dem Restaurant auf der anderen Seite des Parks. Er musste Fabrice Nile vergessen und sich konzentrieren. Diese Scheidung drohte kompliziert zu werden. John Witherspoon, ein amerikanischer Finanzmann, der sich in Paris niedergelassen hatte, war um die sechzig, sexistisch, Serien-Geschiedener und der geborene Feinschmecker. Frédéric hatte ihn bei seiner dritten Scheidung vor sieben Jahren als Anwalt vertreten. John, der trotz seiner Seitensprünge fast noch über sein gesamtes Vermögen verfügte, hatte anderen Millionären gegenüber die Talente des jungen Anwalts gelobt und ihn unter seine Fittiche genommen. Er ebnete ihm auch den Weg zu Dentressengle-Espiard-Smith, denen er all seine privaten und geschäftlichen Angelegenheiten anvertraute. Für die vierte Scheidung hatten Frédéric und John schon alles so unbekümmert in die Wege geleitet, als wäre es der reinste Spaziergang. Um die Einzelheiten zu besprechen, waren sie im La Roseraie verabredet, einem Restaurant im Jardin de Bagatelle, das zu den besten in der Hauptstadt gehörte. Frédéric gab sein Erbe an der Garderobe ab und ging zu Witherspoons Tisch.
    Das Essen schmeckte ausgezeichnet, aber das Gespräch wollte nicht recht in Gang kommen. Iko, die neue Freundin von

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