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Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Titel: Und wenn es die Chance deines Lebens ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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beeindrucken, obwohl sie am liebsten Konditorin geworden wäre. Um ehrlich zu sein, hatte sie auch Dorothée nur in Frédérics Wohnung mitgenommen, weil sie ihre Schwester beeindrucken wollte. Und mehr als alle anderen wollte sie Frédéric beeindrucken. Weil Frédéric etwas an sich hatte, was andere dazu anspornte, ihn beeindrucken zu wollen, und weil sie bis jetzt weit davon entfernt war, beeindruckend zu sein. Weil er gut aussah. Weil ihm alles gelang und – weil sie in ihn verknallt war! Pétronille bemühte sich nach Kräften, diesen peinlichen Gedanken zu verscheuchen, vor allem jetzt, da sie halb nackt in der Umkleidekabine stand. Nein, nein, nein, ich bin nicht in Frédéric verliebt.
    Der zweite Grund für ihr furchtbar schlechtes Gewissen war dieser Fabrice Nile. Sie hatte noch nichts über ihn herausgefunden.
    Ein Arm war in die Luft gereckt, das Kleid hatte sich über ihrer Brust verheddert, während der andere Arm versuchte, den Reißverschluss auf dem Rücken noch weiter herunterzuziehen, obwohl er bereits ganz geöffnet war. Den Kopf hatte sie in den Nacken geworfen aus Angst, den blauen Seidenstoff mit ihrem Make-up zu beschmieren, und die Augen hielt sie geschlossen, während sie betete: »Bitte lass die Nähte nicht platzen, bitte lass die Nähte nicht platzen.« In exakt dieser Haltung stand Pétronille da,als ihr Handy klingelte. Sie öffnete die Augen, verrenkte sich nun komplett, um an ihre Handtasche zu gelangen, und schaffte es schließlich, eine Hand so weit zu befreien, dass sie ihr Handy zu fassen bekam. Der Anrufer war Frédéric.
    Zwar war es technisch ein Ding der Unmöglichkeit, dass Frédéric sie in der engen Umkleidekabine dieser schicken Boutique in verwaschener Unterwäsche und mit den Abdrücken der Kniestrümpfe auf den bleichen Waden sehen konnte. Aber falls doch , rang Pétronille sich zu der Entscheidung durch, nicht abzunehmen. Mit dem großen Zeh zog sie ihre Jeans näher heran und legte sie dann vorsichtig auf das Handy, um das Klingeln zu dämpfen.
    »Alles klar, Nini?«, rief Dorothée, die draußen schon ungeduldig wurde.
    »Hm, ich weiß noch nicht, aber ich bin optimistisch«, erwiderte Pétronille, der es endlich gelang, das Kleid über die Brust zu zerren. Jetzt stellten ihre Hüften ein weiteres Problem dar. Und Frédéric. Und schon kündigte das Piepen des Handys eine Nachricht auf der Mailbox an. Es war ein einziger Kampf. Pétronille hielt die Luft an und versuchte noch einmal, das Kleid herunterzuziehen, was wie durch ein Wunder tatsächlich gelang. Mittlerweile war das Kleid völlig zerknittert, und Pétronille standen Schweißperlen auf der Stirn. Sie schaute in den Spiegel. Oje, oje, oje. Schließlich beruhigte sie sich wieder. Sie zog den Bauch ein, streckte die Brust heraus, schlang ihr Haar zu einem Knoten, bog den Oberkörper nach hinten, winkelte ein Bein an, zog eine Schnute, betrachtete sich im Profil, stemmte eine Hand in die Hüfte, zog sie wieder weg, tat so,als würde sie über ein imaginäres Kompliment lachen, stellte sich auf die Zehenspitzen, löste den Knoten und drehte den Kopf so weit nach hinten, dass sie ihren Po in Augenschein nehmen konnte. Drei Kilogramm. Vier, um ganz sicherzugehen. Noch zehn Tage bis zu dem Fest. Das war zu schaffen. Sie musste nur sofort mit der Diät beginnen und durfte heute nichts mehr essen.
    »Und?«, fragte Dorothée.
    »Perfekt. Ich nehme es«, rief Pétronille aus der Umkleidekabine.
    »Lass mal sehen.«
    »Nee, nee, warte ... gleich ...«, widersprach Pétronille.
    Doch Dorothée hatte den Vorhang bereits zur Seite geschoben und schaute ihre Schwester mit großen Augen an.
    »Okay, das sieht im Augenblick vielleicht nicht so gut aus, aber ich bin auch nicht richtig geschminkt, und außerdem habe ich gerade ein Sandwich gegessen. Ich weiß, das Kleid ist ein bisschen eng, aber es gefällt mir trotzdem. Ich muss jetzt los. Frédéric hat angerufen.« Pétronille schickte sich an, das Kleid auszuziehen.
    »Warte«, sagte Dorothée. »Bevor du keine passenden Schuhe dazu gefunden hast, kannst du nicht gehen ...«
    »Verdammt, die Schuhe ...«
    Normalerweise kaufte Pétronille gerne neue Schuhe, denn Schuhe passten immer, egal, wie viel sie gerade wog. Doch bei dem Gedanken an Frédérics Nachricht verkrampfte sich ihr Magen. Offenbar hatte Dorothée verstanden, dass sie so schnell wie möglich wegwollte, und Pétronille hatte – sofern es da überhaupt noch eine Steigerung gab – ein noch schlechteres

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