Und wenn wir fliehen (German Edition)
nie wieder sagen hören, es wäre ein Fehler gewesen, das hier zu tun. Ich hatte in den letzten Tagen verdammt viel Zeit darüber nachzudenken. Auf der Insel ist sowieso alles den Bach runtergegangen, auch wenn ich das nie zugeben wollte. Wir mussten da weg. Und ich glaube ehrlich, wenn da draußen irgendwer ist, der uns helfen kann, dann bist du die Person, die ihn findet. Ich hab mich in ein Mädchen verliebt, das niemals aufgibt. Also versprich es mir. Versprich mir, dass du nicht aufhören wirst, es zu versuchen, egal, was passiert.«
Ich starrte ihn an. Unfähig zu sprechen.
»Versprich es«, sagte er.
Ich nahm seinen Kopf zwischen die Hände und beugte mich so weit vor, dass ich meine Lippen auf seine pressen konnte. Er erwiderte meinen Kuss, doch ich spürte die Anspannung in dem Arm, der mich umschlang. Ich neigte den Kopf nach vorn und strich ihm mit der Nase über die Wange.
Gav wusste nicht, dass ich kurz davor war aufzugeben, als Meredith krank war. Ich hatte ihm nie davon erzählt, wie ich am Rand der Klippe gestanden hatte, entschlossen, den nächsten Schritt ins Nichts zu tun. Doch am Ende hatte ich nicht aufgegeben, und wir hatten bis jetzt überlebt. Das durfte ich nicht vergessen.
»Ich werde nie aufhören, es zu versuchen«, sagte ich in den dunklen Raum zwischen uns. »Versprochen.«
Erst da entspannte er sich. Er küsste mich noch einmal und schob die Decke von sich, bevor wir einander zugewandt einschliefen und unsere Atemluft sich mischte.
Vierundzwanzig
Am nächsten Morgen übernahm ich voll frischer Tatkraft von Leo die Eingangstür-Wache und schickte anschließend die Jungs auf eine hausweite Telefonbuchsuche. Ich war erleichtert, als Tobias mit einem dicken broschierten Band in der Hand zurückkam.
»Das ist so was Ähnliches wie ein Branchenbuch«, sagte er. »Ich dachte, es könnte uns vielleicht nützlich sein.«
Das Verzeichnis war ein Volltreffer – seitenweise Labore. Ich blätterte es durch und markierte auf der Karte die Adressen, die am vielversprechendsten aussahen. Sofort als Leo von einer weiteren Beschaffungstour zurückkam, schnappte ich ihn mir.
»Lass uns rausgehen und uns die zwei hier gleich anschauen«, sagte ich und zeigte auf die beiden nächstgelegenen. »Wir können zurück sein, bevor es dunkel wird.«
Wir hielten uns auf den Seitenstraßen, liefen schweigend nebeneinanderher und horchten auf Autos. Eins unserer Zielobjekte, eine medizinische Versuchseinrichtung, war geplündert worden, die Türen aufgesprengt und die Büroräume verwüstet. Das andere war ein neurologisches Forschungslabor in einem schmalen grauen Gebäude, das unversehrt aussah, in dem jedoch sämtliche Fenster dunkel waren. Niemand öffnete, als wir an die Tür klopften.
»Dabei brauchen wir doch nur ein einziges«, sagte Leo, als wir uns auf den Rückweg machten.
Nach dem Abendessen setzte ich mich auf das Sofa und legte die Ziele für den nächsten Tag fest. Tobias stellte das Funkgerät auf den Beistelltisch neben der gläsernen Schiebetür zum Balkon. Leo und Justin zerlegten noch ein paar Stühle und begannen, das Feuer damit zu füttern. Tobias durchlief seine übliche Prozedur: Funkspruch absetzen, Frequenz wechseln, noch einen Funkspruch absetzen. Leo hatte gerade das letzte Stück Holz in den Kamin geworfen, als Tobias wieder am Frequenzwahlknopf drehte und plötzlich eine abgehackte Stimme durch den Lautsprecher knackte.
» … da, bitte antworten.«
Ich legte den Straßenatlas beiseite und beugte mich vor. Tobias zögerte, die Hand am Mikrophon, und antwortete dann: »Wir können Sie hören. Wer spricht da? Over.«
Die Stimme, die antwortete, war Drews. »Ich suche nach Kaelyn Weber. Wer seid ihr?«
Tobias reichte mir das Mikro. Ich nahm es mit klopfendem Herzen. Auf diesen Moment hatte ich gewartet, seit wir das erste Mal miteinander gesprochen hatten, doch plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich die Antworten auf all meine Fragen wirklich so genau hören wollte.
»Drew«, sagte ich, »ich bin hier. Wir haben schon die ganze Woche versucht, dich zu erreichen.«
»Tut mir leid«, antwortete er. »Es ist fast immer jemand bei mir, wenn ich die Funkgeräte überwache. Jetzt macht Carmen gerade Zigarettenpause, aber ich hab wahrscheinlich nur ein paar Minuten. Ihr seid doch wohl nicht mehr in der Stadt, oder? Sag mir, dass ihr weg seid.«
Ich wollte ihn schon fragen, woher er überhaupt wusste, dass wir in Toronto waren, doch dann wurde es mir klar. Anika war
Weitere Kostenlose Bücher