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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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euch her.«
    »Wer sind ›sie‹?«, wollte Justin wissen. »Was weißt du über die?«
    »Die Wächter«, antwortete sie. »Michaels Wächter.« Ihr Blick glitt über unsere Gesichter, und sie hob die Brauen. »Ihr wisst noch nicht mal, wer Michael ist, oder?«
    »Das werden wir, sobald du uns aufgeklärt hast«, erwiderte ich.
    Als sie nicht antwortete, ging Tobias einen Schritt auf sie zu, die Pistole noch immer auf ihr Gesicht gerichtet. Anika zog die Hände in die Ärmel ihrer Jacke zurück und hob das Kinn.
    »Ich habe ihn nie zu Gesicht gekriegt«, antwortete sie. »Anscheinend ist dieser Michael den ganzen Weg von British Columbia hier rübergekommen, zieht, seit das Virus zuschlägt, quer durchs Land und reißt im Vorbeigehen überall das Kommando an sich. So wie hier.«
    »Wie kann denn ein einzelner Typ einfach so das Kommando übernehmen?«, fragte Justin.
    Anika zuckte mit den Schultern. »Er hat Essen und Generatoren und Medikamente, und die gibt er Leuten, die ihm helfen. Die Leute, die ihm genug helfen, nennt er Wächter. Und wenn er weiterzieht, haben diese Wächter dann ein Auge auf die Orte, wo er schon gewesen ist. »Und jetzt ist er gerade in Toronto?«, fragte Leo.
    »Im Moment nicht, glaube ich. Ich krieg nicht alles mit – so eng bin ich mit denen nicht –, aber es scheint, als wäre er runter in die Staaten. Die Wächter sprechen aber über Funk mit ihm. Es gibt ’ne ganze Menge von ihnen, und sie haben Autos und Waffen – mit denen legt man sich besser nicht an. Sie suchen nach euch und nach diesem Impfstoff.«
    »Und da dachtest du dir, du kriegst ’ne Belohnung, wenn du ihnen bringst, was sie suchen«, stellte ich fest und sah sie scharf an. Die Verzweiflung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Das hätte ich auch!«, rief sie. »Ich hätte dazugehört. Jeder will doch die Gewissheit, genug zu essen zu haben, in einem Haus mit funktionierender Heizung zu wohnen, jeder will eine von diesen Masken, die einen davor schützen, krank zu werden. Mittlerweile sind sie die Einzigen, die das alles haben. Natürlich will ich dabei sein.«
    Ich bekam eine Gänsehaut. Der Kerl, der uns am ersten Tag beim Feuerholzholen gefragt hatte, was wir da machten, trug auch eine Schutzmaske. Wir waren auf Hörweite mit einem von diesen Wächtern gewesen, die für den Impfstoff töten würden, und wir hatten es nicht mal gemerkt. Und wenn Justin nur noch ein bisschen mehr gesagt hätte, dann hätte der Typ womöglich kapiert, wer wir sind.
    »Ihr seid dumm, wenn ihr glaubt, ihr wärt hier sicher«, sagte Anika. »Ihr habt bloß Glück gehabt, dass ich euch zuerst gefunden habe. Durch sämtliche Krankenhäuser ziehen, vor dem Rathaus rumbrüllen – ich hab geraten, aber es war echt nicht schwer. Wenn sie erst mal rausfinden, dass ihr in der Stadt seid … dann seid ihr erledigt.«
    »Wirst du es ihnen denn sagen?«, fragte Justin.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Anika und blickte Tobias über die Pistole hinweg vorwurfsvoll an. »Werde ich denn noch die Chance haben?«
    Tobias wurde ein bisschen blass, seine Hand schwankte jedoch keinen Millimeter. Er sah mich an. War es wirklich so einfach? Auf mein Zeichen würde er sie erschießen?
    Mir drehte sich der Magen. Es gefiel mir nicht, was sie getan hatte, aber ich konnte verstehen, dass jemand so verzweifelt versuchte zu überleben. Sie hatte es nicht verdient, deswegen zu sterben.
    Aber wir mussten dafür sorgen, dass auch wir überlebten.
    »Wir werden dir nichts tun«, versprach ich. Justin ließ einen Protestlaut los, verstummte jedoch sofort, als ich ihn böse ansah. »Wir werden ihr nichts tun«, wiederholte ich an ihn gerichtet und wandte mich dann wieder Anika zu. »Aber wir können dich auch nicht so einfach gehen lassen.«
    Tobias ließ langsam die Pistole sinken. »Wir könnten sie in einer der anderen Wohnungen einsperren«, schlug er vor.
    Leo nickte. »Und dann in Ruhe überlegen, was wir als Nächstes tun sollen.«
    »Und mich da verhungern lassen?«, fragte Anika kleinlaut. »Dann erschießt mich lieber gleich.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Wir lassen dich wieder raus, wenn wir so weit sind.«
    Justin seufzte.
    »Wir brauchen ein Sofa oder irgendwas Schweres«, überlegte Tobias. Sein Blick löste sich einen Moment lang von Anika, und in dieser Sekunde der Ablenkung zückte sie etwas. Sie wirbelte herum, und aus der kleinen Flasche, die sie in der Hand hielt, zischte ein Sprühnebel. Justin jaulte auf, sprang zurück und fasste sich

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