Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und wieder Carmel

Und wieder Carmel

Titel: Und wieder Carmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellen May
Vom Netzwerk:
aufgenommen.“
Ich beuge mich zu ihm hinüber, ziehe sein Gesicht in meiner Richtung, sodass er
mich ansieht. Seine dunklen Augen verraten nichts. „Alex!“, sage ich ermahnend .
„Es war eine schreckliche Zeit für mich, damals“, erklärt er, „fast täglich
kamen Briefe von dir. Überall wo ich hinging, warst auch du in meinen
Erinnerungen. Jeder sah mich mitleidig an und meinte, mir gute Ratschläge geben
zu müssen. Eine Woche, bevor ich nach L.A. fahren wollte, klingelte morgens das
Telefon. Ich hörte, wie meine Mutter mit dir sprach und sie hielt mir den Hörer
hin. Ich lehnte schweigend ab. Dann kam der Postbote, brachte einen Brief an
meine Eltern, ich erkannte deine Handschrift und meine Mom öffnete ihn. Sie
ließ ihn auf dem Küchentisch liegen und ich las unfreiwillig, wie sehr du mich
vermissen würdest. Ich hielt es nicht mehr aus, setzte mich ins Auto und fuhr
die Küstenstraße runter.“ Alex lag auf dem Rücken und ich sah ihn wie gebannt
an. „Ich hörte immer und immer wieder den gleichen Song und als ich am
Aussichtsturm vorbei fuhr, musste ich daran denken, wie wir das erste Mal dort
gewesen waren. Ich war damals so aufgeregt gewesen. Alles mit dir war so
aufregend gewesen. Für einen Moment hatte ich in dieser Nacht wieder einen
schönen Gedanken. Der Blick auf den Beifahrersitz zeigte mir, dass das alles
vorbei und von der kribbelnden Aufregung nur bohrender Schmerz übrig war. Wie
ferngesteuert fuhr ich auf den nächsten Felsen zu und es fühlte sich in diesem
Augenblick absolut richtig an, dem Schmerz ein Ende zu machen. Der Gedanke,
gegen die Mauer zu krachen, bereitete mir ein gutes Gefühl, dann wäre endlich
alles für immer vorbei. Im letzten Moment gewann meine Vernunft die Oberhand
und ich trat mit aller Kraft auf die Bremse. Ich rammte den Felsen dennoch und
die Splitter der Frontscheibe prasselten auf mich nieder. Dass ich nur leicht
verletzt war, war ein Wunder. Dem Sheriff sagte ich, ich wäre einem Tier
ausgewichen und die Bremsspur bewies, dass ich versucht hatte, anzuhalten.“
Ich beuge mich über ihn und sehe im tief in die Augen. „Ich bin froh, dass dir
nichts passiert ist“, sage ich.
„Ich auch. Ich hatte zum Glück noch ein Ziel vor Augen, das College. In L.A.
war es dann einfacher, du warst nicht mehr allgegenwärtig. Nur leider konnte
ich nicht nach Carmel zurück. Dieser Gedanke war unerträglich für mich. Die
erste Zeit zumindest. So sammelte meine Mom deine Briefe für mich, legte einen
nach dem anderen in die Kiste in den kaputten Mustang. Ich weiß nicht, wann du
aufgehört hattest zu schreiben.“
„Die Briefe an dich waren das Einzige, was meinen Schmerzen ein wenig Linderung
verschafft hatte. Nachdem ich dich das letzte Mal gesehen hatte und mich von
dir verabschieden musste, hatte ich mich immer wieder nach dir umgesehen, aber
du warst nicht da. Auch am Flughafen in L.A. suchte ich die ganze Zeit nach
dir.“
„Ich war nicht da“, erklärte Alex .
„Ich hatte es dennoch gehofft und mir in meinen Erinnerungen immer ausgemalt,
dass du da gewesen wärst. Den ganzen Flug über weinte ich. Meine Mutter hatte
mich mehrfach giftig angeschaut, aber es war mir egal. Zurück in Hamburg schickte
mich meine Mutter wieder in die Schule, als wäre ich nie weg gewesen. Mir war
das egal. Ich ging zwar hin, aber getan habe ich nichts mehr. Das Abitur
bestand ich dadurch nicht und meine Mutter war außer sich vor Wut. Dann zwang
sie mich, eine Lehre als Bürokauffrau zu machen. Ich weiß nicht, ob ich das
überstanden hätte, wenn Claire nicht gewesen wäre.“
„Kein Abitur und einen schlechten Abschluss in der Ausbildung?“, fragte Alex
bestürzt.
„Genau. Aber ich habe alles nachgeholt. Die Firma, in der ich jetzt arbeite,
gab mir die Möglichkeit über die Abendschule alles nachzuholen.“
„Daher keine Familie?“
„Richtig. Und was ist deine Ausrede?“
„Die fehlende passende Frau“, antwortet Alex und küsst mich zärtlich auf den
Mund. Überrascht sehe ich ihn an und kämpfe gegen das plötzlich aufwallende
Gefühlschaos an .
„Die Messlatte lag einfach zu hoch“, sprach er weiter. Ich lächle, weil ich
genau weiß, was er meint. Keiner der Männer, die ich nach Alex kennenlernte,
hielten einem Vergleich mit Alex stand, keiner konnte ihm das Wasser reichen .
„Hattest du viele Beziehungen?“, frage ich, obwohl ich nicht weiß, ob ich
wirklich eine Antwort hören will .
„Viele nicht. Wie würde es wohl ein Therapeut ausdrücken? Ich

Weitere Kostenlose Bücher