Und wieder Carmel
meine Wut über Alex‘ Schweigen und Gleichgültigkeit. Ich beobachte ihn aus
dem Augenwinkel und bemerke seine gelassene Sitzhaltung und entspannte
Fahrweise ohne eine Miene zu verziehen. Im Radio dudelt irgendeine mir
unbekannte Musik, die meine sich anbahnende Aggression auch nicht abmildern
kann.
„Ich werde auf jeden Fall ins Hotel gehen“, sage ich plötzlich und ohne
Vorwarnung .
„Wie bitte?“, fragt Alex verwirrt, als hätte ich ihn gerade aufgeweckt .
„Ich werde im Hotel schlafen“, wiederhole ich energisch.
„Das geht nicht“, protestierte Alex .
„Doch, das geht.“
„Nein, meine Mom wird anrufen und kontrollieren, ob du da bist.“
„Ich bin aber kein Kind mehr, ich kann allein entscheiden, wo ich wohne. Deine
Mutter kann mir das nicht vorschreiben.“
„Dir nicht, aber mir.“
„Das ist dein Problem, rede du mit ihr.“ Unser Ton wird lauter .
„Nein, das ist sinnlos. Sie wird mir die Hölle heißmachen. Also bitte bleib die
Tage bei mir im Haus.“
„Wie kann man nur so egoistisch und kalt sein, unglaublich.“
„Wer? Ich?“, ruft er aus. „Ich bin egoistisch?“ Mit einem Satz fährt er rechts
ran und bremst scharf. Dann wiederholt er erneut: „Du hältst mich für egoistisch
und kalt?“
Ich öffne die Tür, denn der Raum scheint zu klein für uns beide zu sein. Dann
schreie ich: „Ja, du bist der größte Egoist, der hier auf Erden rumläuft und der Gefühlskälteste.“
Alex folgt mir nach draußen, baut sich vor mir auf und schreit ebenfalls: „Was
willst du von mir?“
„Dass du nicht so unsensibel bist.“
„Oh, jetzt bin auch noch unsensibel“, spottet er .
„Ja, total unsensibel. Ich hab es so satt, dass du mich ignorierst, mich
angiftest und dann im nächsten Moment ...“
„Ich hab doch überhaupt keine Wahl“, unterbricht er mich und beginnt an seinen
Fingern aufzuzählen. „Du tauchst hier ohne Vorwarnung auf. Meine Familie quält
mich damit, dass sie dich immer in meiner Nähe postieren. Ich werde gezwungen,
mit dir zusammen aus der Kirche zu gehen, neben dir zu sitzen, mit dir zu
tanzen und zu allem Übel schmiegst du dich so fest an mich, als wenn …“, er
stockt. „Denkst du, das geht alles so spurlos an mir vorbei?“
„Nein, nicht spurlos“, sage ich ruhig, „Du nimmst dir was du willst und dann
wird wieder dicht gemacht.“
„Du meinst die letzte Nacht?“
„Ja.“, mit verschränkten Armen stehe ich vor ihm und versuche, überlegen zu
wirken.
„Hey! ICH wollte nicht mit dir schlafen.“
Ich fühle, wie mir vor Entsetzen fast die Luft wegbleibt und sich ein dumpfer
Scherz in meinem Bauch ausbreitet. Kann man etwas Schlimmeres gesagt bekommen?
Ich brauche einen Moment um Antworten zu können. Dann sage ich wütend: „Es sah
nicht so aus, als hätte ich dich gezwungen.“
„Zwingen lasse ich mich nicht, aber DU hast mich geküsst und angefangen mich
auszuziehen.“
Ich drehe mich weg und atme tief durch, um nicht loszuheulen. Halt bloß die
Klappe , denke ich, sag nichts mehr.
„Es tut mir leid, das war gemein“, beginnt er leise und fast freundlich. „Die
letzte Nacht war unglaublich schön. Bitte verzeih.“
Ich atme weiter tief durch .
„Anna?“
„Ich will nichts mehr hören, Alex. Geh weg. Lass mich hier stehen. Hau ab.“
„Es tut mir leid. Ich kann nicht damit umgehen, dass du wieder da bist.“
„Ich bin seit ein paar Tagen wieder hier, Alex, nicht erst seit einer Minute“,
erkläre ich, als ich den Kloß in meinem Hals heruntergewürgt und mich zu ihm
umgedreht habe .
„Aber du provozierst mich.“
„Wenn du dich benimmst wie ein Idiot.“
„Es wäre leichter gewesen, wenn mir meine Eltern oder Felix Bescheid gesagt
hätten, dann hätte ich mich darauf einstellen können.“
„Ja, vermutlich“, sage ich traurig.
„Ich habe dich einfach nicht erwartet. Und meine Familie lässt mir nicht die
Wahl, allein zu entscheiden. Lass uns bitte nach L.A. fahren und schauen, wie
wir die Zeit zusammen überstehen.“
„Sag deiner Mutter ...“, rede ich dazwischen .
„Diese Option ist indiskutabel.“ Alex lächelt, „bitte erspare mir die Vorwürfe
und meiner Mutter den Schmerz, dass du im Hotel wohnst.“
„Ok“, stimme ich seufzend zu. „Unter einer Bedingung.“
„Welcher?“
„Du hörst auf, mir so schreckliche Sachen an den Kopf zu werfen.“
„Ok, mach ich nicht mehr.“
„Gut.“
„Danke.“
Alex öffnet mir die Autotür, lächelt sanft und ich hüpfe auf den Beifahrersitz.
Als er den Wagen wieder auf die
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