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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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halb aus seinem gelben Brokatbezug gerissen. Daneben auf dem Teppich war eine Pfütze, wie ein Krokodil geformt, und nicht weit davon lag umgekippt der Barwagen, rundherum Flaschen und Karaffen – jetzt geöffnet und geleert – Gläser und Krüge.
    Lynley griff nach einem Schalter an der Wand rechts von der Tür und drückte ihn herunter. In die Zimmerdecke eingelassene Halogenleuchten flammten auf und zeigten das ganze Ausmaß des Chaos.
    Nach dem, was er von der Tür her sehen konnte, war die ganze Wohnung in Trümmern: die Sofas umgestoßen, die Kissen aus den Hüllen gerissen, Bilder von den Wänden gefegt und in Scherben, als hätte jemand sie brutal übers Knie gebrochen, Stereoanlage und Fernsehapparat zu Boden geschleudert und demoliert – die Rückwände von Fernseher und Lautsprecher herausgeschlagen –, eine Mappe mit Fotos zerfetzt, die Bilder im ganzen Zimmer verstreut. Selbst der Spannteppich war nicht verschont worden, war mit einer Kraft, die von lange angestauter und explosionsartig zur Entladung gekommener Wut sprach, unter den Sockelleisten herausgerissen worden.
    In der Küche das gleiche Chaos: Überall auf den weißen Fliesen lag zerbrochenes Geschirr, Regale und Schränke waren leergefegt, ihr Inhalt auf den Arbeitsplatten oder dem Boden verstreut. Der Kühlschrank war ausgeräumt, die Lebensmittel aus dem Gefrierschrank schwitzten Tauwasser, das Gemüse aus den Frischhaltefächern war zertrampelt, seine Säfte hatten Fliesen und Schränke bespritzt.
    Aus einer Lache von Ketchup und Senf führten Fußstapfen aus der Küche in den Flur hinaus. Einer der Abdrücke war perfekt geformt, wie mit dunkler orangeroter Farbe auf die Fliesen gepinselt.
    Mit den Bildern am Treppenaufgang war ähnlich verfahren worden wie mit denen im Wohnzimmer, und als Lynley die Treppe hinaufging, fühlte er einen heißen Zorn in sich aufwallen, in den sich jedoch eisige Furcht mischte. Er konnte nur hoffen, der Zustand der Wohnung bedeutete, daß der Eindringling, der Vi Nevin so offensichtlich Böses wollte, das Haus leer vorgefunden und daraufhin Wut und Frustration am toten Inventar ausgelassen hatte.
    Wieder rief er ihren Namen. Wieder blieb alles still. Er knipste das Licht im ersten der oberen Zimmer an. Ein Trümmerfeld. Nicht ein Möbelstück war verschont geblieben.
    »Mein Gott«, murmelte er. Im selben Augenblick ging unten offenbar eine CD zu Ende, die dröhnende Musik verstummte abrupt.
    In der plötzlichen Stille hörte er es. Ein Scharren wie von Mäusen, die über Holz huschten, genau hier in dem Zimmer, in dem er stand. Es drang hinter der Matratze des Bettes hervor, die schräg an einer der Wände lehnte. Mit drei Schritten war er dort und riß sie weg. »Mein Gott«, murmelte er wieder und beugte sich zu der leblos daliegenden Gestalt hinunter, deren Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt war. Nur das Haar – so lang, so Alice-im-Wunderland-blond, wo es nicht blutgetränkt war – verriet ihm, daß Viola Nevin doch zu Hause gewesen war, als die Rache an ihre Tür geklopft hatte.
    Die scharrenden Geräusche waren von ihren Fingernägeln hervorgerufen worden, die krampfhaft zuckend an der weißen, mit Blut bespritzten Sockelleiste kratzten. Das Blut war ihr Blut, Blut von ihrem Kopf und vor allem von ihrem Gesicht, durch zahlreiche Schläge derart entstellt, daß von der Klein-Mädchen- Niedlichkeit, die ihre besondere Note und ihr Kapital gewesen war, nichts übriggeblieben war.
    Lynley nahm ihre kleine Hand und hielt sie fest. Er wollte es nicht riskieren, Vi zu bewegen. Wäre er sicher gewesen, keinen Schaden anzurichten, dann hätte er sie, nachdem er telefoniert hatte, vom Boden hochgezogen und bis zum Eintreffen des Rettungswagens in den Armen gehalten. Aber er hatte keine Ahnung, welche inneren V erletzungen sie vielleicht davongetragen hatte, darum begnügte er sich damit, ihr die Hand zu halten.
    Die blutverschmierte Waffe, ein schwerer Handspiegel, lag ganz in der Nähe. Er schien aus Metall zu sein, war jetzt aber über und über mit Blut beschmiert, an dem blonde Haare und kleine Hautfetzen hafteten. Lynley schloß einen Moment die Augen vor dem Anblick. Er, der in den Jahren bei der Polizei noch weit schrecklichere Tatorte und noch weit übler zugerichtete Opfer gesehen hatte, hätte nicht sagen können, warum ein so schlichter Gegenstand wie ein Handspiegel eine solch erschütternde Wirkung auf ihn hatte. Aber vielleicht lag es eben daran, daß der Spiegel ein so unschuldiger

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