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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gegenstand war, ein Symbol weiblicher Eitelkeit, das ihm Vi Nevin plötzlich viel näher brachte. Wieso? fragte er sich. Und noch während er sich diese Frage stellte, sah er Helen vor sich, mit einem ebensolchen Spiegel in der Hand, wie sie ihre Frisur musterte und sagte: »Ich seh aus wie ein zusammengestauchter Igel. Lieber Himmel, Tommy, wie kannst du nur so beharrlich eine Frau lieben, die zu nichts nütze ist?«
    Lynley wünschte inständig, sie wäre jetzt hier. Er wollte sie in den Armen halten, als könnte er mit einer einfachen Umarmung nicht nur seine Ehefrau, sondern alle Frauen vor Schaden bewahren.
    Vi Nevin stöhnte. Lynley umschloß ihre Hand fester.
    »Sie sind in Sicherheit, Miss Nevin«, sagte er beruhigend, obwohl er nicht glaubte, daß sie ihn hören oder verstehen konnte.
    »Gleich kommt ein Rettungswagen. Halten Sie noch ein Weilchen durch. Ich lasse Sie nicht allein. Sie sind in Sicherheit. Jetzt kann Ihnen nichts mehr geschehen.«
    Jetzt erst fiel ihm auf, daß sie zur Arbeit gekleidet war: Sie trug eine Schulmädchenuniform mit kurzem Röckchen, das ihr bis zu den Hüften hochgerutscht war. Darunter hatte sie ein winziges schwarzes Spitzenhöschen an und einen passenden Strumpfhalter, an dem die dünnen Strümpfe befestigt waren. Über den Nylonstrümpfen trug sie weiße Kniestrümpfe und an den Füßen die vorgeschriebenen Schnürschuhe. Zweifellos eine Aufmachung, die dazu diente, zu reizen und sexuell zu erregen, wenn Vi Nevin sich ihrem Kunden als das schamhafte Schulmädchen präsentierte, nach dem ihn gelüstete.
    Lieber Gott, dachte Lynley. Warum machten sich Frauen Männern gegenüber, die ihnen Schaden zufügen konnten, so verletzlich? Warum ließen sie sich auf ein Gewerbe ein, das sie garantiert zerstören würde – wenn nicht auf die eine Weise, dann mit Sicherheit auf eine andere?
    Sirenengeheul schrillte durch den Abend, als der Rettungswagen in die Rostrevor Road einbog. Augenblicke später flog unten die Wohnungstür auf.
    »Hier oben!« rief Lynley laut.
    Vi Nevin bewegte sich. »Vergessen ...« murmelte sie. »Mag Honig. Vergessen.«
    Dann eilten die Sanitäter ins Zimmer, während unten auf der Straße neuerliches Sirenengeheul das Eintreffen der Polizei ankündigte.
    Und unten im Erdgeschoß legte jemand eine neue Platte auf, ein Medley aus Rent. Das Ensemble schmetterte sein Loblied auf die Liebe.
     

23
    Es war ein Segen und ein Fluch zugleich, daß unter den forensischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im Polizeilabor viele von unersättlichem Wissensdurst besessen waren. Der Segen war ihre Bereitschaft, Tag und Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen zu arbeiten, wenn das Material, das ihnen zur Auswertung übergeben wurde, ihre Neugier weckte. Der Fluch entsprang direkt dem Segen: Da man wußte, daß es im Labor Leute gab, deren Wissensdurst sie an ihren Mikroskopen festhielt, wenn andere, vernünftigere, ihre Freizeit genossen, fühlte man sich verpflichtet, die Informationen, die diese Spezialisten mit solchem Feuereifer lieferten, auch prompt einzuholen.
    So kam es, daß Inspector Peter Hanken an diesem Samstag abend nicht im trauten Kreis der Familie in Buxton saß, sondern vor einem Mikroskop stand und sich von einer enthusiastischen Spurensicherungsexpertin namens Amber Kubowsky anhören mußte, welche Erkenntnisse die Untersuchungen des Schweizer Armeemessers und der Verletzungen an Terry Coles Leichnam gebracht hatten.
    Das Blut an dem Messer stammte – wie sie ihm bestätigte, während sie sich mit einem kleinen Radiergummi am Ende ihres Bleistifts am Kopf kratzte, als wollte sie etwas ausradieren, was dort geschrieben stand – in der Tat von Cole. Und bei vorsichtigem Herausziehen der verschiedenen Klingen und anderen Zubehörteile des Messers aus dem blutverklebten Gehäuse hatte sie feststellen können, daß die linke Scherenklinge, wie von Andy Maiden berichtet, abgebrochen war. Normalerweise wäre daraus zwingend zu folgern gewesen, daß das fragliche Messer nicht nur die Waffe war, mit der Terry Cole verletzt worden war, sondern auch dem Messer, das Andy Maiden angeblich seiner Tochter geschenkt hatte, zum Verwechseln ähnlich war.
    »Na wunderbar«, meinte Hanken.
Sie schien erfreut über seinen Beifall, sagte jedoch: »Und jetzt
    sehen Sie sich das mal an«, und wies zum Mikroskop.
    Hanken blickte brav durch das Okular. Alles, was Miss Kubowsky bisher dargelegt hatte, war derart banal und offensichtlich, daß er ihre Erregung nicht

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