Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
Zumindest für eine Weile.
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So unglaublich, so erstaunlich es war: Ich bekam eine zweite Chance. Ausgerechnet ich! Und die würde ich nicht vergeuden. Nicht mehr. Unter keinen Umständen.
Keine zwei Blocks weiter schaffte ich es, ein Taxi anzuhalten. Im Gegensatz zu Boston oder New York waren Taxis in Minneapolis selten und immer wie ein kleines Wunder. Ich hatte es bereits am Ende des Häuserblocks gesehen und meine Hand ohne viel Hoffnung gehoben. Ich hörte das Quietschen blockierender Reifen auf dem Pflaster, sah, wie der Wagen in einer illegalen Kehrtwende drehte und dann haargenau auf meiner Höhe an der Bordsteinkante zum Stehen kam. Der Fahrer sprang aus dem Wagen und riss die Beifahrertür für mich auf.
»Äh . . . Danke. Würden Sie mich bitte nach Edina fahren?«
Nichts. Noch nicht einmal ein Nicken. Er starrte mich nur an. Er hatte etwa das Alter meines Vaters, eine Wampe vom vielen Sitzen und Krümel im Bart. Das Hemd spannte über seinem Bauch, aber er sah nett aus. Immerhin lächelte er.
Grinste eher albern. Aber da ich nicht zwanzig Meilen zu Fuß laufen wollte, konnte ich nicht auch noch wählerisch sein.
Ich kletterte in den Wagen und los ging’s. Also ehrlich: Wenn ich immer noch einen schrecklichen Tod hätte sterben wollen, hätte ich beim Verlassen des Beerdigungsinstituts dieses Taxi anhalten sollen. Dieser Typ war verrückt, und zwar buchstäblich. Dass er mich ständig im Rückspiegel anstarrte, machte die Sache nicht besser. Nur das Heulen von Sirenen oder die Flüche der Passanten lenkten seine Aufmerksamkeit kurzzeitig wieder auf die Straße.
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Nachdem er beinahe einen Lieferwagen, einen Zeitungs-wagen, eine Haltestelle voll morgendlicher Pendler und einen Bus gerammt hätte, hatte ich genug. Vielleicht war ich ja unverwundbar und überlebte einen schrecklichen Autounfall, aber mein unerschrockener Fahrer war es nicht.
»Schauen Sie nicht zu mir!«, bellte ich ihn an und zuckte zusammen, als der Busfahrer sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Hupe stemmte. Das Dröhnen marterte mein Trommelfell. Die Welt schien nur noch aus Lärm zu bestehen. »Achten Sie auf die Straße.«
Er gehorchte augenblicklich und ließ seinen Blick wieder in Richtung Straße einrasten. Von da an hatten wir keine Probleme mehr.
Dass ich kein Geld bei mir hatte, um ihn zu bezahlen, fiel mir erst vor meinem Haus ein. Was hatte ich mir dabei gedacht, diesen Typen anzuhalten? An ein Nickerchen und einen Drink – natürlich nicht in dieser Reihenfolge.
»Äh . . . wenn Sie kurz warten, laufe ich schnell ins Haus und . . . « Und was? Wenn mein Gedächtnis mich nicht täuschte, hatte ich genau achtundvierzig Cents in meinem Portemonnaie. Und zwei Chips für eine Gratis-Autowä-
sche bei Mr. Wash. Beim Geldautomaten war ich heute noch nicht gewesen, da meine Geburtstagsparty ins Wasser gefallen war. »Nehmen Sie auch Schecks? Oder erlassen mir das Fahrgeld aus reiner Herzensgüte?«, scherzte ich.
Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Ja, Ma’am.«
Ma’am? Der Mann war doppelt so alt wie ich! Mir kam ein schrecklicher Gedanke: Machte der Tod etwa Falten?
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»Aha. Na gut«, sagte ich zweifelnd und versuchte ver-stohlen, neue Falten in meinem Gesicht zu ertasten. »Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben.«
Er trat auf das Gaspedal, den Blick durch das Seiten-fenster auf mich geheftet. Ich zuckte zusammen, als er die Bordsteinkante mitnahm und einen Briefkasten rammte.
Dann rannte ich die Auffahrt zu meinem Haus hinauf, um nicht Zeugin eines weiteren Gemetzels zu werden. Wie einfach man in diesem Staat doch einen Führerschein bekam!
Erstaunlich.
Von außen sah meine Wohnung aus wie immer. Aber als ich eintrat – irgendein Trottel hatte die Haustür nicht verschlossen . . . ups, das war ja ich gewesen! –, sah ich die Bescherung. Die meisten meiner Sachen waren in Kartons verpackt, die sich wahllos verstreut in meinem Wohnzimmer türmten. Das Licht in der Küche brannte. Wie viel mich das wohl gekostet hatte, während ich hübsch aufgeputzt im Beerdigungsinstitut gelegen hatte? Ich konnte das Parfum meines Stiefmonsters riechen (Dune – und davon viel zu viel), und mir kam ein schrecklicher Gedanke.
Ich stürzte in mein Schlafzimmer. Hier sah ich noch mehr Kartons, und einige meiner Kleider lagen auf mein Bett geworfen. Manche waren auf den Boden gefallen und lagen dort nun zerknittert in kleinen Haufen von Polyester, Seide und Baumwolle.
Ich riss die Schranktür auf, und
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