Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
meine schlimmsten Be-fürchtungen wurden bestätigt. Meine Klamotten waren noch da, ebenso meine Kinderschuhe und meine billigen flachen Slipper, die ich mir für die nicht so formellen Tage im Büro gekauft hatte. Aber meine Lieblinge, die Mano-42
lo Blahniks, die Pradas, die Ferragamos, die Guccis und Fendis – alle waren sie verschwunden.
Mein Stiefmonster hatte den Leichenbestatter angewiesen, mich in einem ihrer billigen Kostüme herzurichten, ihre ausgelatschten Treter über meine Füße zu ziehen, um sich dann umgehend in meiner Wohnung meine guten Schuhe unter den Nagel zu reißen.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Sie zog ihre ausgelatschten Treter über meine Füße und riss sich selbst meine guten Schuhe unter den Nagel.
Während ich diese Erkenntnis noch verdaute, hörte ich ein vorsichtiges Miau. Ich blickte auf und sah Giselle, die an der Haustür um die Ecke lugte. Super, sie hatte nach Hause gefunden. Ich zwang mich zu einem Lächeln und machte einen Schritt in ihre Richtung. Weiß der Himmel, wann sie das letzte Mal gefüttert worden war. Was machte sie überhaupt noch hier? Dann aber sah ich, wie sich ihre Rückenhaare drohend aufrichteten. Sie flüchtete so schnell, dass sie gegen die gegenüberliegende Wand schlidderte, dort abprallte und dann weiterrannte.
Ich sank auf mein Bett und weinte.
Weinen ist in Ordnung, aber man kann es nicht ewig tun.
Nach einiger Zeit fühlt man sich etwas albern und fragt sich: Kommt dieses Geräusch von mir? Zumal wenn man keine Tränen mehr hat, ist Weinen ein höchst merkwürdiges Gefühl. Ich konnte schluchzen, aber Tränen kamen mir nicht. Konnte ich auch nicht mehr pinkeln oder schwitzen?
Nun, ich musste es nicht sofort herausfinden. Also: Irgendwann ist man mit dem Weinen fertig und muss entscheiden, was als Nächstes zu tun ist. Entweder mit dem fraglichen 43
Typen Schluss machen oder den Boss umbringen oder die Biestigkeit der Stiefmutter ignorieren oder herausfinden, wie man als Vampir klarkommt. Irgendwo beginnt immer der nächste Schritt.
Ich ließ mich mit dem Bauch nach unten auf mein Bett plumpsen, schlaff wie gekochte Spaghetti und restlos erschöpft. Und durstig. Aber dagegen würde ich jetzt noch nichts unternehmen. Vielleicht gab ich Giselle Futter . . .
nein, auch das nicht. Ich würde einfach hier liegen bleiben und – da mein Zimmer nach Osten zeigte – auf die Sonne warten, die mir dann ein für alle Mal den Rest geben würde.
Wenn ich trotzdem als Tote wieder aufwachte, wäre es ein Zeichen des Schicksals. Dann sollte ich weitermachen.
Wenn nicht – hätte ich ein Problem weniger. Die Hölle konnte nicht schlimmer sein als ein Wal-Mart nach Mitternacht.
Über diesen Gedanken schlief ich ein.
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Ich erwachte schlagartig, wie zuvor schon in dem Sarg.
Das sah mir gar nicht ähnlich. Normalerweise brauchte ich eine Stunde, eine Dusche, zwei Tassen Kaffee und den Weg zur Arbeit, um aufzuwachen. Jetzt nicht mehr. Eben war ich noch todmüde, und einen Moment später hüpfte ich aus meinem Sarg. Oder meinem Bett mit Laura-Ashley-Bettwäsche.
Ich war hellwach und klar im Kopf. Kennen Sie die Benommenheit, wenn man nach ein, zwei Stunden Nickerchen aufwacht? Genau so fühlte ich mich eben nicht. Ich war so aufgedreht wie nach drei Frappuccinos. Mit viel Zucker.
Als Erstes sah ich Giselle, die gebieterisch an meinem Fußende thronte. Offensichtlich hatte sie während des Tages ausgiebig meine Leiche beschnüffelt und beschlossen, es noch einmal mit mir zu versuchen. Also fütterte ich sie. Früher hatte ich das zweimal täglich gemacht; diese einfache Tätigkeit hatte etwas Tröstliches für mich. Dann duschte ich, putzte mir die Zähne, zog saubere und bequeme Kleidung an und schlüpfte in meine Tennisschuhe. Ich war hier, ich war tot, also gewöhnt euch dran – oder wie auch immer der entsprechende Paragraf der Vampirgrund-rechte lauten mochte. Keine Selbstmordspielchen mehr. Es 45
war Zeit, sich mit den Tatsachen abzufinden. Wie genau?
Keine Ahnung! Aber ich wollte jetzt den ersten Schritt tun.
Einmal in Schwung gekommen, würde sich der Rest schon ergeben.
Schritt eins: meine Schuhe zurückholen.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu meiner Stiefmutter machen. Ich hätte ihr vergeben können, dass sie meinen Vater geheiratet hatte. Ich hätte ihr ebenfalls vergeben können, dass sie mich als ihre ewige Rivalin sah und nicht als ein Mitglied der Familie. Was ich ihr nicht vergeben konnte, war, dass
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