Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
sie es auf meinen Vater abgesehen hatte, als er noch verheiratet gewesen war. Sie brachte ihn zur Strecke wie eine verwundete Gazelle und heiratete dann den Kadaver.
Mein Vater war alles andere als ein Heiliger und ist auch heute noch keiner. Aber Antonia hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihn vom rechten Weg abzubringen.
Manche Leute sind die geborenen Künstler, andere wiederum die geborenen Buchhalter. Antonia war die geborene Heimzerstörerin. Sie brachte die richtige Ausrüstung mit: einen großen Kunstbusen, der ständig dem V-Ausschnitt ihrer zu engen Pullover entquoll, schwarze Miniröcke, nackte Beine (sogar im Winter! In Minneapolis!) und Fick-mich-Pumps.
Um das Vorurteil zu komplettieren: Sie war auch noch dumm. Und blond. Einmal fragte sie mich, ob Lesben auch ihre Periode bekämen. Ich verkniff mir ein höhnisches Ge-lächter und klärte sie auf. Darauf sagte sie schnippisch:
»Nun, wenn du mich fragst, ergibt das überhaupt keinen Sinn.«
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Meine Mutter erhielt das Haus und die übliche Demü-
tigung von Freunden, Bekannten und Familie, wenn der eigene Mann einen gegen ein jüngeres und dünneres Mo-dell eintauscht. Mein Vater bekam Ant und eine Beförde-rung, denn sie war die typische Trophäenfrau und half ihm, das muss ich zugeben, bei seiner Karriere. Und ich bekam im zarten Alter von dreizehn eine achtundzwanzigjährige Stiefmutter.
Das Erste, was sie zu mir sagte, war: »Sei vorsichtig mit meinem Kostüm.« Das Zweite: »Fass das nicht an.«
Das war eine der antiken Vasen meiner Mutter, die diese mir geschenkt hatte, bevor sie von Antonia ausgestochen worden war. Antonia nahm die Vasen als Geiseln. Ich für meinen Teil muss ehrlicherweise gestehen: Ich habe nicht versucht, sie besser kennenzulernen. Ich hatte null Absicht, eine Beziehung zu der Frau aufzubauen, die die Ehe meiner Mutter zerstört hatte. Außerdem ist es schwer, nett zu jemandem zu sein, von dem man nicht gemocht wird und der damit auch nicht hinter dem Berg hält. Ich war eben ei-ne Bedrohung für sie: ein intelligenter, launischer Teenager, den mein Vater mit der ganzen Kraft seines engen Herzens liebte.
Eine Woche nach ihrem Einzug belauschte ich eine Unterhaltung, in der sie meine Mutter als eine »Vorstadtpom-meranze« bezeichnete. Daraufhin nahm ich ihre goldene Halskette, steckte sie in den Mixer und drückte unter dem Gekreische meiner Stiefmutter auf »Püree«. Danach hatte ich meinen ersten Termin bei einem Therapeuten.
Ant glaubte unbedingt an Therapien. Professionelle Zu-hörer für alle Beschwerden, die man sich vorstellen kann.
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Die reine Glückseligkeit! Schon früh erklärte sie mir stolz, dass man bei ihr eine Depression diagnostiziert hatte, die sich aber als die merkwürdigste psychische Krankheit her-ausstellte, der ich je begegnet war: Medikamente halfen nicht. Aber Schmuck tat es. Sie war zu depressiv, um zu einer meiner Schulaufführungen zu kommen, konnte sich aber immer aufraffen, um mit meinem Vater aufwendig auszugehen.
Mein Vater, der Drohn, versuchte den Ball flach zu halten.
Man muss ihm zugutehalten, dass er den Bitten meiner Stiefmutter, mich ganz bei meiner Mutter wohnen zu lassen, niemals nachgegeben hat. Ihnen war das gemeinsame Sorgerecht zugesprochen worden, und er würde mich teilen, komme, was da wolle. Stattdessen stellte er sie mit Schmuck ruhig, kaufte mir Schuhe und hatte jede Menge Konferenzen außerhalb der Stadt. Ich nahm die Schuhe und versuchte alleine klarzukommen. Antonia beleidig-te meine Mutter nicht mehr in Hörweite, und ich musste keine wertvollen Metalle in ein Küchengerät werfen. Aber für beide fühlte ich wenig Zuneigung. Sie hatten sich entschieden.
Ich fuhr vor ihrem grotesk großen Haus vor. Drei Stockwerke hoch, mit einer Außenverkleidung aus roten Ziegeln und mehr Dachfenstern als ein Gewächshaus. Ich starrte darauf, wie immer von seiner Größe erschlagen. Brauchten zwei Menschen wirklich dreitausendfünfhundert Quadratmeter zum Leben? Dann schlüpfte ich aus dem Auto. Welch eine Erleichterung, endlich wieder den eigenen Wagen fahren zu können und nicht mehr auf die öffentlichen Verkehrsmit-48
tel angewiesen zu sein! Anscheinend waren bisher weder mein Haus noch mein Auto verkauft worden. So erbärmlich es klang: Mein Nachlass war nicht geregelt worden. Aber schließlich war ich ja erst ein oder zwei Tage tot. Meine Familie, wenigstens meine Mutter und mein Vater, stand sicher noch unter Schock.
Ich öffnete die Haustür
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