Undead 02 - Suss wie Blut und teuflisch gut
auf der Nase. Ihr blondes lockiges Haar wurde von einer blauen Schleife zusammengehalten, die zur Farbe ihrer Augen passte, und sie trug ein gestreiftes Kittelchen, pinkfarbene Söckchen – und schwarz-weiße Schuhe.
Ich trat näher, um ihre Fußbekleidung genauer unter die Lupe zu nehmen. »Langweilst du dich nicht zu Tode?«, fragte ich. »So alleine in einem großen Haus? Wo ist deine Mutter?«
»Jetzt mag ich es hier«, antwortete sie, nachdem sie ein wenig über meine Frage nachgedacht hatte. »Ich mag es, wenn hier Leute sind.«
»Na, dann wirst du dich hier sehr wohl fühlen. Meine Freundin Jessica hat eine beschiss. . . eine Armee angestellt.
Sag mal, Sonnenschein, wo hast du denn deine Schuhe gekauft?«
»Meine Mama hat sie für mich gekauft.«
»Wo?«
»Im Schuhladen.«
Mist. »Sie gefallen mir«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich heiße Betsy.«
»Ich heiße Marie. Danke, dass du mit mir sprichst.«
»Hey, ich wohne hier nur. Ich bin nicht so ein reiches, snobistisches Arschloch, wie du sie vielleicht gewöhnt bist.
Äh . . . weißt du, wie man von hier aus in die Küche kommt?«
Marie grinste und zeigte eine Zahnlücke in ihren Schnei-dezähnen. »Natürlich. Ich kenne alle Abkürzungen. Zwi-79
schen der Küche und dem zweiten Esszimmer gibt es einen geheimen Keller!«
»Dem zweiten Esszimmer? Auch egal. Vorwärts, Marie.
Ich brauche dringend eine Tasse Tee, bevor ich noch etwas Unvorhergesehenes tue.«
Bevor ich ihre Hand nehmen konnte, hörte ich donnernde Schritte, und Jessica stürzte ins Zimmer. Sie schwenkte das Telefon. »Du musst sofort . . . Marquette . . . Tina ist in Schwierigkeiten«, keuchte sie, dann ließ sie sich kraftlos auf mein Bett fallen. »Donnerwetter, das Haus hat mindestens tausend Stufen.«
»Du bist die Letzte, die sich über die Größe dieses Hauses beschweren darf. Was meinst du damit, Tina ist in Schwierigkeiten?«
»Sinclair . . . am Telefon . . . « Sie hielt mir den Apparat entgegen.
»Wenn das ein Trick ist . . . «, knurrte ich in den Hörer.
»Komm sofort hierher!«
Ich rannte.
Als ich sah, was man Tina angetan hatte, wollte ich erst schreien und mich dann übergeben. Glücklicherweise hatte ich viel Übung darin, mein Abendessen bei mir zu behalten.
»Das ist ein jämmerlicher Versuch, Aufmerksamkeit zu erheischen«, sagte ich.
Tina versuchte ein Lächeln. Ich wünschte, sie hätte es nicht getan. Ihr halber Körper hing nämlich in Fetzen. Sie schwamm teilnahmslos in der Badewanne, die bis zum Rand mit pinkfarbenem Wasser gefüllt war.
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Fragen Sie mich nicht, warum, aber wenn man einen kranken Vampir in Wasser legt und Backpulver dazugibt, geht es ihm schnell besser. Erstaunlich! Das Zeug lässt den Kuchen aufgehen und vertreibt Gerüche aus Kühlschränken. Mich erstaunte das sehr, aber ich war so neu in dem Geschäft, dass ich nicht in der Position war, die physikali-schen Gesetze der Untoten zu hinterfragen.
»Jesses . . . «, krächzte ich und räusperte mich, »Wer hat das getan? Geht es dir . . . natürlich geht es dir nicht gut, aber – tut das weh?«
»Ja.«
»Was ist passiert?«
»Das Übliche. Menschen, die lästige Vampire töten«, erwiderte sie.
Das saß. »Aber Tina, ich dachte doch nicht, dass sie auch hinter den Guten her sind!« Ich wedelte mit den Armen und versuchte die aufsteigende Hysterie in den Griff zu bekommen. Währenddessen war Sinclair erschienen, wie immer schnell wie der Blitz, und griff nach meinem Handgelenk.
Ich konnte gerade noch »Wa. . . ?« sagen, und schon hatte er meine Haut mit einem Messer geritzt, das ich zu spät bemerkte. »Au!«, sagte ich und entzog ihm meine Hand, aber es war zu spät. Es geschah so schnell, und das Messer war so scharf, dass ich den Schnitt kaum fühlte. Wenigstens hatte er mich nicht gebissen . . . »Kannst du nicht einmal fragen, bevor du mich stichst?«
Tina drehte ihren Kopf weg und tauchte unter Wasser.
»Und du – hör auf damit!«, sagte ich und gab ihrem Kopf einen vorsichtigen Stupser. Die nasse Hand wischte ich 81
an meiner Jeans ab. Igitt! »Ich weiß, was ich zu tun habe, verdammt. Ein kleines Bitte wäre trotzdem nett«, fügte ich hinzu und starrte Sinclair zornig an.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte er mit steinerner Miene, aber seine Augen waren schmal. Ich wusste, er liebte Tina. Sie hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war. Ich respektierte das besondere Band zwischen ihnen, auch wenn ich es nicht verstand und es immer noch für
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