Undead 02 - Suss wie Blut und teuflisch gut
lief es kalt den Rücken hinunter. Das war es, was mir zu meinem Glück noch gefehlt hatte: meine Mutter, die sich kümmerte, während Sinclair und Jon mich anbaggerten, 200
der Marionnettenspieler versuchte, mich zu pfählen, und der Geist eines toten Kindes in meinem Zimmer herumhüpfte und laut »Bruder Jakob, Bruder Jakob« sang, bis ich überzeugt war, verrückt zu werden.
»Vielleicht nächsten Monat, Dr. T«, kam Jessica mir zu Hilfe, als sie sah, dass ich vor Stress fast in Ohnmacht fiel.
»Im Moment ist es ein wenig . . . kompliziert.«
»Schon gut, Mom«, sagte ich, so nett ich konnte. Meine Mutter stand hundertprozentig zu mir als Untoter und gab ihr Bestes, um mir zu helfen. Ganz anders als manch andere Elternteile – und ich möchte hier keine Namen nennen.
Meine Mutter war sogar froh, dass ich ein Vampir war. So müsste sie sich keine Sorgen machen, dass ich überfallen oder vergewaltigt würde, wie sie mir einmal sagte. Es war nicht ihr Fehler, dass mein Leben so unglaublich – wie hatte Jessica es genannt? – kompliziert war.
»Ich denke, ich bin aus anderem Grund heute Abend hier«, fuhr meine Mutter mit gedämpfter Stimme fort.
»Deine Stiefmutter scheint ein Geheimnis zu haben, und sie platzt schier vor Unvermögen, es für sich zu behalten. Ich vermute, die große Enthüllung findet heute statt.«
»Uhhh.« Was würde es nun schon wieder sein? Hatte sie meinen Vater so lange schikaniert, bis er ihr ein Flug-zeug für ihre Shoppingtouren gekauft hatte? Wollte sie noch eine Benefiz-Gala auf die Beine stellen? »Gehe ich recht in der Annahme, dass wir jetzt nicht mehr gehen können?«
»Wir hätten erst gar nicht kommen müssen«, bemerkte Jessica ganz richtig.
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Ich zuckte mit den Achseln. Im April, als ich gerade frisch von den Toten auferstanden war, hatte mein Vater mir sehr nachdrücklich mitgeteilt, dass ich für ihn tot sei und, wenn ich schon nicht so höflich wäre, auch tot zu bleiben, mich doch bitte schön von ihm fernhalten solle. Und ich meinerseits hatte ihm sehr nachdrücklich klargemacht, dass ich seine Tochter und es sein Job sei, mich zu lieben, tot oder untot. Seither lebten wir in einer Art angespannten Waffenruhe nebeneinander her. Drei Monate zuvor war ich zum Osterdinner hierhergekommen und nun im Juli zum Barbecue. Basta!
»Hast du heute Abend . . . äh . . . schon Blut gesaugt?«
»Mir geht’s gut, Mom. Mach dir darüber keine Sorgen.«
»Weil ich nämlich eine Idee habe. Bin gleich zurück.«
Sie trottete in Richtung Küche, ganz geballte Effizienz und Geschwindigkeit.
»Ich kann nicht glauben, dass deine Stiefmutter deine Mutter zu dieser Party eingeladen hat.«
»Und ich kann nicht glauben, dass Mom tatsächlich gekommen ist!«
Jessica warf mir einen Blick zu. Durch den Küchenlärm hörte ich, wie ein Mixer zum Leben erwachte. »Natürlich ist sie gekommen. Sie wollte sichergehen, dass dein Vater und Ant nett zu dir sind.«
Zum ersten Mal an diesem Abend lächelte ich. Jessica hatte wahrscheinlich recht. Meine Mutter sah lieb aus, konnte aber zum Pitbull werden, wenn sie mich in Schwierigkeiten glaubte.
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Bevor wir weiter spekulieren konnten, kam meine Mutter zurück mit etwas, was wie ein dunkler Schokoladenmilchs-hake aussah.
»Das ist Roastbeef«, verriet sie mir, und ich ließ beinahe das Glas fallen. »Ich dachte mir, da du doch keine feste Nahrung essen, aber doch trinken kannst . . . «
»Hmmm«, machte Jessica und betrachtete meinen Beefshake.
»Pardon, Ladys, würden Sie bitte Ihre Plätze einneh-men.« Die Kellner geleiteten uns alle zu dem großen Tisch im Esszimmer. Interessanterweise hatte Ant für uns den Platz am Kopf des Tisches vorgesehen, neben sich und Dad. Erstaunlich! Normalerweise konnte gar nicht genug Abstand zwischen ihr und mir liegen. Immerhin hatte ich am Kindertisch gesessen, bis ich sechsundzwanzig war.
»Hi, Dad«, sagte ich, als mein Vater mir gegenüber Platz nahm. Er ließ kurz ein unsicheres Lächeln aufblitzen und hätte fast sein Weinglas umgeworfen.
»Darren«, sagte meine Mutter höflich, »du siehst gut aus.«
Mein Vater glättete seine Querkämmer-Frisur, während ein Kellner sein Glas zurechtrückte und auf dem Weinfleck herumtupfte. »Danke, Elise. Du auch. Glückwunsch noch mal zur Beförderung.«
»Danke. Sieht Betsy nicht entzückend aus?«
»Äh . . . ja. Entzückend.«
»Danke, Dad«, sagte ich trocken.
»Antonia«, sagte Mom, als Ant ihren Stuhl mit energi-schen kleinen Rucken
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