Undead 02 - Suss wie Blut und teuflisch gut
sie. Das war nicht ungewöhnlich, ich wäre eher schockiert gewesen, hätte sie ge-lächelt oder lediglich keine Miene verzogen. Ich hatte ihr nie verziehen, dass sie die Ehe meiner Eltern zerstört hatte, 197
und sie hatte mir nie verziehen, dass ich von den Toten auferstanden war. Die Familientreffen zu den Feiertagen gerieten dadurch – nun, sagen wir mal – ein wenig unentspannt.
»Fröhlichen vierten Juli«, sagte ich artig.
Ant nickte. »Jessica. Schön, dass du gekommen bist.« Sie ließ die Tür offen und ging fort.
»Sie denkt, dein Name ist Jessica«, flüsterte Jessica übertrieben laut.
»Sehr lustig.« Ich folgte Ant ins Haus. Dort sah ich zu meiner Überraschung . . .
»Mom?«
»Hallo, Liebling!« Meine Mutter stellte ihren Drink ab –
ich roch Dewar’s und Soda – und nahm mich fest in den Arm. Es fühlte sich an, als würde ich von einem Kissen umarmt, das nach Zimt und Orangen duftete. »Ich hatte gehofft, du würdest kommen.« Sie gab mir einen herzhaften Schmatzer auf die Wange, wandte sich dann Jessica zu und ließ ihr dieselbe Behandlung zukommen.
Jessica drückte sie erfreut. »Dr. T! Was machen Sie denn hier?«
Eine berechtigte Frage. Ant verachtete meine Mutter, und die erwiderte dieses Gefühl aus ganzem Herzen. Sie taten alles dafür, sich nicht in derselben Stadt zur selben Zeit aufzuhalten, geschweige denn im selben Raum. Ich konnte mir nicht vorstellen, welche verrückten Umstände meine Mutter dazu bewogen haben mochten, zu dieser Feier ins Haus meines Vaters zu kommen.
»Erinnerst du dich nicht? Ich bin letzten Monat befördert worden.«
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»Klar. Du bist jetzt Dekan der Fakultät.« Meine Mutter unterrichtete an der Universität von Minnesota. Ihr Fach war der Bürgerkrieg, die Schlacht von Antietam, um genau zu sein. Gähn. »Jetzt kommandierst du all die kleinen Professorenweicheier herum.«
»Und das«, sagte meine Mutter und feixte, »hat mir die Einladung zum Taylor’schen Barbecue eingebracht.«
Ich rieb mir die Schläfen. Ants gesellschaftlicher Dünkel kannte keine Grenzen. Jetzt lud sie sogar Geschichtspro-fessoren ein! Das ergab keinen Sinn. Wie schwachsinnig.
Professoren verdienten sehr selten Reichtümer. Und sie konnten der Tod für jede Party sein. Natürlich nicht meine Mutter. Trotzdem war es merkwürdig . . .
»Gott sei Dank«, sagte Jessica gerade, »gibt es jetzt jemanden, mit dem ich sprechen kann, der nicht denkt, ich gehörte zum Personal.«
»Aber Jessica, niemand denkt, dass du zum Personal gehörst. Außer vielleicht . . . nun ja . . . «
»Toll, dich hier zu sehen«, sagte ich endlich.
Meine Mutter zwinkerte zu mir hoch. Seit der siebten Klasse war ich größer als sie. »Was ist los?«
»Schlimme Woche«, sagte Jessica und hielt einen Kellner beim Ellbogen fest, um ihm ein Glas Wein zu entreißen.
»Politik unter Untoten. Sie wissen schon.«
»Und wie geht es Eric Sinclair?«
»Mir egal«, sagte ich und griff mir einen eigenen Kellner, der Bloody Marys schleppte. Ich trank einen Schluck und zog eine Grimasse. Wie gerne würde ich einmal den in die Finger bekommen, dem es eingefallen war, Tomatensaft mit Orangensaft und scharfer Sauce zu verderben. »Er ist 199
ein arroganter Kerl. Unausstehlich. Er hört nie zu. Taucht ständig unangemeldet auf.«
»Der König der Vampire«, murmelte meine Mutter. Sie versuchte anzüglich zu grinsen, was ihr nicht so recht gelang. Stattdessen machte sie ein Gesicht wie die Person auf dem Vorher-Bild in einer Anzeige für ein Mittel gegen Sodbrennen. Meine Mutter war klein, mollig und hatte weißes, gelocktes Haar. Schon mit dreißig hatte sie ausgesehen wie eine Fernsehgroßmutter. »Und er mag dich, Zuckerstückchen.«
»Kotz«, sagte ich und leerte mein Glas. Ich räumte ein Glas Punch vom Tablett eines anderen Kellners. Wie viele Caterer hatte Ant eigentlich engagiert, verdammt? Sollte das nicht ein ungezwungenes Barbecue werden?
»Äh . . . vielleicht solltest du ein bisschen kürzer treten, Liebling. Du fährst doch, oder?«
»Mom, weißt du, wie viel Alkohol ein Vampir trinken muss, um beschwipst zu sein?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.« Und heute Nacht würde ich es herausfinden! Ich leerte auch dieses Glas und stürzte den Rest von Jessicas Wein hinunter. »Hat jemand meinen Vater gesehen?«
»Er steht in der Ecke, zusammen mit dem Bürgermeis-ter. Viel Glück beim Versuch, ihn loszueisen. Süße, ist es wirklich so schlimm? Soll ich für einige Tage zu euch kommen?«
Mir
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