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Undercover

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Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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remittierten Büchern, die er fast umsonst bekam, obwohl er nur selten die Zeit findet, darin zu lesen. Alles ist unansehnlich oder aus zweiter Hand, aus Trödelläden, von Flohmärkten, von eBay. Fehlerhaft, beschädigt, ungewollt. Win holt seine Pistole hervor, legt sie auf den Esszimmertisch, zieht sein Sakko aus, nimmt die Krawatte ab, knöpft sein Hemd auf, setzt sich an den Computer und loggt sich in eine Datenbank ein, in die er die Adresse des Viktorianischen Hauses in Cambridge eingibt. Er druckt die Besitzer der letzten fünfunddreißig Jahre nebst Verwandten aus. Weitere Suchanfragen ergeben, dass die letzte Grundstückstransaktion im März stattfand. Das heruntergekommene Gebäude wurde für 6,9 Millionen Dollar von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung namens FOIL gekauft. Muss eine Abkürzung sein. Win googelt danach.
    Nicht viel, nur wenige Treffer: eine Rockband aus Seattle, eine Bildungsseite namens »First Outside Inside Last«, »Freedom of Information Law«, das Gesetz zur Informationsfreiheit, das Forum indianischer Linker und ein Brettspiel, bei dem es um Wörter und Einfallsreichtum geht.
    Win kann sich nicht vorstellen, dass eine dieser Adressen etwas mit einem viktorianischen Herrenhaus in der Brattie Street zu tun hat, und ihm kommt in den Sinn, Lamont anzurufen und eine Erklärung zu verlangen, ihr zu sagen, dass er wisse, wo sie am Abend war, dass er sie gesehen habe. Ihr vielleicht so viel Angst einzujagen, dass sie ihm verrät, was auch immer sie dort zu suchen hatte. Er denkt an das Zimmer mit der Matratze und der Kerze, die Einwegkamera. Er denkt an den Vandalismus, an die Hinweise auf Kupferdiebstahl. Und er bekommt die Flasche Wein und die Abdrücke der Prada-Schuhe nicht aus dem Kopf. Vielleicht will ihn jemand reinlegen - aber wer und warum? Und wie soll Lamont nicht darin verwickelt sein?
    Win legt Fleischerpapier auf den Esszimmertisch und zieht Latexhandschuhe an. Er leert eine Ampulle mit Jod in eine verschließbare Plastiktüte, steckt den Brief hinein, verschließt die Tüte und schüttelt sie vorsichtig. Nach ein, zwei Minuten holt er den Briefumschlag heraus, pustet darauf, sorgt sich nicht um seine DANN - dafür ist die Unterseite der Klebelasche die bessere Quelle. Sein warmer, feuchter Atem reagiert mit dem Jod. Mehrere Fingerabdrücke erscheinen auf dem Papier, werden schwarz, je länger er pustet. Dann schlitzt Win den Umschlag auf und holt ein gefaltetes Blatt weißes Papier heraus. Säuberlich steht darauf mit rosa Zaubermarker geschrieben: Morgen früh, zehn Uhr. Filipello-Spielplatz. Mit freundlichen Grüßen, Raggedy Ann.
    Am nächsten Tag um fünfzehn Uhr Londoner Zeit.
    Bei New Scotland Yard schaut Detective Superintendent Jeremy Killien aus dem Fenster und beobachtet das sich drehende dreiseitige Namensschild vor dem berühmten Gebäude aus Glas und Stahl. Normalerweise hilft ihm das langsame Kreisen des Logos dabei, sich zu konzentrieren. Aber Killien ist gereizt, er leidet unter Nikotinentzug. Als hätte er nicht schon genug zu tun, lässt der Polizeichef auch noch so eine Bombe auf ihn los.
    Killiens Büro im vierten Stock, im Herzen des Specialist Crime Directorate, ist vollgestopft mit den Erinnerungen seines Lebens: Bücher, Aktenordner, Generationen von Unterlagen, die er eines Tages ausgraben wird, an den Wänden ordentlich aufgereiht eine Vielzahl von Prominentenfotos - Margaret Thatcher, Tony Blair, Prinzessin Diana, Helen Mirren -, alle jeweils neben Killien. Der obligatorische Objektrahmen mit Polizeimützen und -abzeichen, und in einer Ecke steht eine Schaufensterpuppe mit einer viktorianischen Uniform, die einmal ein Bobby mit der Nummer 452H getragen hat. Das bedeutet, er ging in Whitechapel zur Zeit von Sherlock Holmes und Jack the Ripper auf Streife.
    Verdammt, eine läppische Zigarette! Ist das etwa zu viel verlangt? In der vergangenen Stunde hat Killien sich bemüht, das Verlangen zu unterdrücken. Schon wieder könnte er sich fürchterlich darüber aufregen, dass er nicht mehr an seinem Schreibtisch, nicht einmal mehr im Gebäude rauchen darf, nachdem er Jahrzehnte seines Lebens der Londoner Polizei geopfert hat, sondern dass er mit dem Lastenaufzug in den Hof fahren und sich in die nach Müll stinkende Ladezone schleichen muss, um dort wie ein Obdachloser seine Droge zu konsumieren. Killien zieht eine Schublade auf, steckt sich noch einen Nikotinkaugummi mit Pfefferminzgeschmack in den Mund und wird etwas ruhiger, als seine Zunge zu

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