Undercover
Kopfschmerzen. »Ich habe mich auf eine Position im mittleren Management von United vorgearbeitet, um den Konzern, seine Geschäftszahlen und -transaktionen auszuspionieren und an Stewart weiterzugeben sowie einige Zulieferfirmen ins Spiel zu bringen, hinter denen Enclave steckt.«
»Das heißt, Enclave will Pherostine wirklich übernehmen?«
»Es deutet alles darauf hin. Wie also vielleicht selbst dir deutlich werden sollte, darf man mich um nichts auf dieser Welt mit einer potenziellen Mörderin in Verbindung bringen. Wenn jemand anfängt, Fragen zu stellen, ist meine Position und damit mein Auftrag gefährdet. Wenn man dich hinterher auf Pherostine wegen Mordes sucht, ist das eine lästige Angelegenheit. Wenn man mich als Mittäter bezeichnet, bedeutet das, dass ich versagt habe.«
»Das ist natürlich keine Option«, sagte ich spöttisch.
»Natürlich ist das keine Option. Glaubst du, ich will immer als Justifier im Einsatz bleiben? Ich werde nicht jünger.
Wenn sich dir eine Gelegenheit bietet, musst du alles auf eine Karte setzen, um zu gewinnen. Alle anderen sind Verlierer. Wenn du dir an mir ein Beispiel nimmst, wird vielleicht noch etwas aus dir.«
»Schon klar«, murmelte ich. »Null Toleranz.«
»Reicht dir das?«, fragte Jabbert. »Sonst würde ich vorschlagen, dass du die Waffe herunternimmst und wir zur Arbeit zurückkehren.«
»Wer ist Cross wirklich?«, fragte ich.
»Richard Cross, Vorarbeiter für United Industries, geboren am…«
»Ich kenne die Daten«, unterbrach ich ihn. »Die sagen mir aber nicht, wer Cross tatsächlich ist. Sicher, er hat ein Geburtsdatum, Eltern - aber es gibt keine Informationen über Kindheit, Jugend, Schule, Ausbildung - nichts. Ist dir nicht aufgefallen, dass der Mann vor dreieinhalb Jahren vom Himmel gefallen zu sein scheint?«
Er spreizte die Finger in einer sparsam verlegenen Geste. »Ich habe die Daten nur zusammengestellt, nicht ausgewertet.«
»Das ist dem großen Jabbert nicht aufgefallen«, triumphierte ich. Ja, ich kann kleinlich sein.
Aber die Tatsache, dass Jabbert auch nicht mehr über den Mann wusste, besänftigte mein Misstrauen tatsächlich am meisten. In meinem Kopf hatte sich schon der Eindruck einer Verschwörung um Cross und mich im Zentrum gebildet. Vermutlich traute ich den Menschen um mich herum mehr zu, als nottat.
Ich sicherte meine Waffe und verstaute sie in meinem Schulterholster. »Okay. Ich nehme an, ich bin wertvoll genug für den Konzern, um mich hier nicht einfach abservieren zu lassen. Schließen wir Frieden. Immerhin habe ich hier noch was zu tun.«
Wie gesagt - das bedeutete nicht, dass ich ihm traute. Ich traute ihm so weit, dass er mich jetzt nicht erschießen würde. Und dass ich paranoid bin, heißt nicht, dass Ich nicht verfolgt werde.
Als wolle Jabbert mir Recht geben, sprang er so schnell und fließend aus dem Sessel auf mich zu und hatte mich bei der Kehle gegriffen, angehoben und an die Tür hinler mir gedrückt, bevor ich auch nur Piep sagen konnte. Ich hing dort für einen Augenblick röchelnd, hielt mich an seinem Handgelenk fest und versuchte, ein Knie zwischen unsere Körper zu bringen, um ihn von mir wegzu-stemmen - vergebens. Die Hand lag so fest um meinen Hals wie ein Schraubstock und schnürte mir die Luft ab.
Er sah mich nur an, sein Gesicht direkt vor meinem. In seinen Augen stand die überhebliche Arroganz, die er an den Tag gelegt hatte, seit ich ihm das erste Mal begegnet war. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich hier zum ersten Mal dem echten Jabbert begegnete.
»Du glaubst, dass du etwas Besonderes bist? Bilde dir nicht ein, dass du besser bist als ich«, zischte er mir zu. »Du bist nichts. Eine Fliege. Eine Mutation. Eine willkürliche genetische Verirrung, beschränkt auf ein paar Synapsen in deinem winzigen Hirn.« Damit ließ er mich zu Boden und löste den Griff.
Ich rang um Atem und hustete meine Luftröhre frei. Dabei drängte mich mein verletztes Ego, ihm mit einem Messer an den Kragen zu gehen. Glücklicherweise war ich dazu noch nicht in der Lage, und das zwang mich, ein wenig nachzudenken. Ja, auch bei mir kommt das manchmal vor.
Mein Hirn begann mit der Analyse und stellte drei Dinge fest: Erstens hatte Jabbert sich schneller bewegt, als ich es für menschenmöglich gehalten hatte. Zweitens war er kräftiger gewesen, als ich es für menschenmöglich gehalten hatte. Und drittens war er noch eingebildeter, als ich es für menschenmöglich gehalten hatte.
Also, was war er?
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