Undercover
Morrison braucht ihn ja nicht mehr.“
Die Sanitäter schlossen gerade die hintere Tür als Shane sie um die Heimfahrt bat.
„Mein Gott, wir machen alles dreckig.“ Tamara sah an sich hinunter.
„Wenn jeder so rücksichtsvoll wäre wie Sie!“ Der Sanitäter gab ihr eine Plastikfolie, die sie über die Trage breitete und sich darauf setzte. Shane fand einen abwaschbaren Sitz. Der Motor sprang an. Eine schwache Notbeleuchtung tauchte den Innenraum in verschiedene Graustufen.
„Wurde Ray erschossen, weil jemand wusste, dass wir ihn als Trevor enttarnen würden?“ Tamara hielt sich fest als der Wagen anfuhr. „Andrew Ward wusste es. Und Mick wahrscheinlich auch.“
Shane dachte an das Motorengeräusch, unmittelbar bevor die Werkstatt in Flammen aufging.
Der Krankenwagen hielt zuerst an seinem Apartmenthaus. Shane stieg aus. Wie still es war. Niemand saß in den Restaurants und Cafés, oder schlenderte an der Promenade ent lang. Er sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es schon halb eins war. Tamara und den Sanitätern wünschte er Gute Nacht und humpelte zum Hauseingang. In Gedanken versunken durchquerte er die sanft erleuchtete gut duftende Lobby und zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte. Er hob den Kopf und erkannte Carol, die aus einem der Ledersessel aufstand. Sie trug lange Hosen und ein langärmeliges Shirt und sah aus, als ob sie schon lange da gesessen hatte. Plötzlich fror er entsetzlich.
„Shane! Ich hab’ versucht...“ Jetzt erst bemerkt e sie seine schlammverkrusteten Kleider, den Verband, sein nasses Haar.
„Was ist passiert? Woher kommst - du - Shane?“
Woher komme ich?, dachte er. Aus dem Inferno? Um ihren Mund waren die Falten tiefer geworden und ihre Augen waren gerötet.
„Was tun Sie hier, Carol?“
„Ich ...“ Sie wusste nicht weiter.
In die stille Lobby drang das an- und abschwellende Rauschen des Meeres.
„Willst du ... was trinken?“, hörte er sich fragen und ging voraus.
In der Aufzugskabine irritierte ihn ihre körperliche Nähe. Hatte er nicht seit der ersten Begegnung gewünscht, der Anziehung, die er ihr gegenüber empfand, nachzugeben und hatte er nicht ebenso lang dagegen angekämpft? Irgendetwas wollte er sagen, doch er wusste nicht was. Die Aufzugtüren glitten auseinander und beendeten seine Überlegungen. Shane schloss das Apartment auf. Zum ersten Mal seitdem er dort wohnte, hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen.
So wie sie da stand, wusste er, sie wartete auf ein Signal von ihm, auf ein Wort oder auf ein Lächeln, auf eine Berührung. Doch er brachte bloß einen allgemeinen, unverfänglichen Satz zustande:
„Ich muss ins Bad. Mach’s dir bequem...“
„Soll ich nicht etwas zu essen machen?“
Er erinnerte sich, zuletzt im Krankenhaus etwas gegessen zu haben - und das war fast zwölf Stunden her.
„Im Kühlschrank ist Lasagne.“
„N icht gerade ein Weihnachtsessen “ , meinte sie und versuchte ein Lächeln.
„Nein .“ Mehr konnte er nicht sagen.
Unter Verrenkungen gelang es ihm, zu duschen, ohne die Verbände allzu nass zu machen. Als der Duft des Duschgels den Gestank von Verbranntem und Verkohltem verdrängte, fühlte er sich wieder besser. Er trocknete sich ab und dachte, dass er bereits zum dritten Mal innerhalb von kurzer Zeit nur knapp dem Tod entkommen war. Sollte er sich darüber freuen? Dankbar sein? Oder sollte er sich schuldig fühlen? Es als Zeichen deuten, sein Leben zu ändern? Oder war es einfach nur „Glück“?
Er schlang sich ein Badetuch um die Hüften und suchte im Schrank neben dem Badezimmer etwas zum Anziehen. Sie lehnte an der Wand und beobachtete ihn. Dann drehte sie sich um und ging in die Küche. Er zog eine helle Hose an, hängte das Hemd auf der linken Seite nur über die Schulter und fuhr sich durchs frisch gewaschene Haar. Unter den nackten Füßen das Holz des Parketts zu spüren tat gut. Er ließ sich auf die Couch sinken und streckte das linke Bein aus.
Irgendwo in der Küche hatte sie eine Flasche Rotwein gefunden und geöffnet. Sie setzte sich zu ihm und goss den Wein in die Gläser. Wie schön sie ist , dachte er wieder .
„Jetzt ist also alles vorbei “, sagte sie und stellte die Flasche auf den Tisch.
Er schüttelte den Kopf und begann zu essen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, auch dann essen zu können, wenn er gerade Schreckliches erlebt hatte.
„Nein. Wir wissen immer noch nicht, wer deinen Mann erschossen hat.“
Sie sah überrascht auf. „Aber Chrissy Wagner hat
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