Undercover
doch ein Geständnis abgelegt.“
„Ja, das hat sie.“ Er würde ihr jetzt nichts von Josh und Farrell und Blix erzählen. Es war alles zu kompliziert.
Schon lang hatte er keinen Rotwein mehr getrunken, lieber zu Bier und Whisky geg riffen, doch jetzt schmeckte er ihm. Warm und samtig lief er in seinen Bauch, und allmählich spürte er Ruhe in sich.
„Warum mussten so viele Menschen sterben?“, fragte sie auf einmal.
„Ich weiß nicht.“ Er dachte daran, wie er ihr zum ersten Mal begegnet war – auf der Barbecue-Party von Frank und Kim.
„Du siehst traurig aus.“ Sie stellte das Glas ab.
Wenn er hätte weinen können, hätte er jetzt geweint. Wegen Jack und den anderen, wegen des Babys un d wegen Ann, und wegen all der unschuldigen A nderen, die er in den vielen Jahren seiner Arbeit hatte sterben sehen.
Er konzentrierte sich auf die Lasagne. Sie sah ihm zu und schwieg bis er die Gabel auf den leeren Teller legte. Dann sagte sie:
„Willst du jetzt lieber allein sein?“
Er wollte jetzt nicht allein sein, und er wollte jetzt nicht mehr nachdenken. Er wollte vergessen, und wenn es nur für ein paar Stunden wäre.
Ihre Hand legte sich auf seine. Bei der sanften Berührung ihrer Finger stieg ein Kloß in seiner Kehle auf. Die Haut an ihrem Hals war warm und ihr Atem duftete nach Kirschen, reifen, schwarzen Kirschen.
69
Sie konnten ihn die ganze Nacht festhalten, ohne Haftbefehl. Das wusste Josh . Morgen mussten s ie ihm etwas Schriftliches vorlegen, etwas, das ein Staatsanwalt unterschrieben hatte, und der unterschrieb nur, wenn es triftige Gründe gab. Was hatten sie gegen ihn in der Hand? Nichts. Sie hatten keinen einzigen Beweis. Er hatte einfach Pech gehabt, war zeitlich und räumlich einem Verbrechen zu nah gewesen. So etwas gab es oft. Da wurden Menschen verurteilt, saßen unschuldig jahre- oder jahrzehntelang im Gefängnis. Dennoch, auch wenn er morgen freigelassen würde: Es war aus. Man würde Chrissy verurteilen. Sie käme ins Gefängnis, und er käme vielleicht ungeschoren davon, oder mit ein paar Monaten auf Bewährung, so nannte man das doch, und müsste damit leben, dass er mit Schuld trug an Chrissys Tat. Es war sein Revolver und e r hatte sie dorthin gefahren. Er hatte sie nicht am Aussteigen gehindert. Er war ihr nicht nachgelaufen. Er war im Auto sitzen geblieben und hatte vom Fliegen geträumt. Durch das kleine vergitterte Fenster oben in der Wand sah Josh Wolken über den Himmel ziehen. Und wenn das Schicksal seinem Leben durch das Geschehen eine Bedeutung gab?
70
Warum e r plötzlich aufwachte, wusste Shane nicht. Vielleicht waren es die Schmerzen in seiner Schulter. Die Leuchtziffern der Uhr auf dem Nachttisch zeigten vier Uhr dreiundfünfzig an. Schon schimmerte das graue Licht des Morgens durchs Fenster. Neben ihm atmete ihr warmer Körper lautlos und gleichmäßig. Er hatte Durst und stand leise auf. In der Küche trank er ein Glas Leitungswasser. Es schmeckte fad, und er ging ins Wohnzimmer. Nachdenklich ging er hinaus auf den Balkon. Die Sonne stieg als gelber Feuerball aus dem Meer. Der Himmel brannte. Auf einmal legte sich eine warme Hand auf seine Schulter. Carol schmiegte sich an ihn. Schweigend blickten sie auf das glühende Meer.
„Woran denkst du?“, fragte sie.
Shane drehte sich zu ihr um. Sie hatte ihr Haar notdürftig hochgesteckt, Str ähnen fielen ihr in die Stirn. Ihre Haut sah glatt und weich aus. Der bittere Zug um ihren Mund war verschwunden, und ihre Augen waren nicht mehr so traurig wie früher.
Der Feuerball war höher gestiegen, Flammen tropften ins Meer.
„Wir sollten zusammen verreisen “ , meinte sie.
Das wäre schön, dachte er, irgendwohin, wo es keine Erinnerungen gibt. Weit, weit weg...
„Was hältst du von Vanuatu?“, fragte sie.
Eine Inselgruppe in der Südsee, unweit der Fidschi -Inseln. Ein Paradies – und eines für Spekulante n, schoss es ihm durch den Kopf.
„Warum ausgerechnet dahin?“
„I ch habe dort ein Haus.“
Sofort war sein Misstrauen wieder geweckt.
„Was ist, Shane? Du hast doch selbst herausgefunden, dass ich von Ian ein paar Millionen geerbt habe. Darunter war auch ein Haus auf Vanuatu.“
Sie wollte ihn benützen, auf die falsche Fährte lenken – oder?
„Mei n Gott, Shane! Eine klein e s Haus , nicht weit vom Strand. Nichts luxuriöses, und nichts, was irgendwie mit Drogen finanziert wurde, falls du so etwas in Erwägung ziehen solltest!“
War er denn schon so konditioniert, dass er hinter allem
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