Undercover
Aircondition an. Es würde wieder Regen geben.
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Auf der Hauptstraße durch Maroochydore hatt en sich Autoschlangen gebildet. In der Sonne gleißte das Blech. Glitzernde Würmer auf flimmerndem Asphalt. Auch die Linksabbiegespur, die zum Parkplatz des große n Einkaufcenters Sunshine Plaza führte, war verstopft, und der Verkehr staute sich weit zurück: Camper, Autos mit Wohnwagen und Kennzeichen aus New South Wales oder Victoria. Alle kamen sie zu Weihnachten. Shane ordnete sich ganz rechts ein und versuchte sein Glück auf dem Parkplatz vor dem Police-Headquarters. Doch dort war ganz und gar nichts zu machen. Mindestens fünf Autos standen mit laufendem Motor vor den Parkreihen, um den nächsten frei werdenden Platz sofort zu besetzen. Er fuhr weiter und fand überraschenderweise direkt vor Erica Wa gners Laden Sailing Supplies einen Behindertenparkplatz. Hier hatte Tim Wilcox – oder seine Begleiterin also angerufen.
Nicht nur Segler n schlug das Herz beim Blick ins Schaufenster höher. Ein Arrangement von antiquarischen und polierten Messgeräten, goldglänzenden Fernrohren, aufgerollten, geflochtenen Seilen und vergilbten Seekarten beschwor die Romantik der Seefahrt herauf, und rief im Betrachter die unzähligen Bilder und Geschichten von Schatzsuchern, Abenteurern, Walfängern und Entdeckern , die Bücher und später dann Filme immer wieder neu erfanden.
Nie war Shane aufgefallen, wie schwer manche Eingangstüren zu öffnen waren. Jetzt, mit seinen Krücken , grenzte das Betreten eines Geschäfts schon an ein Kunststück. Wenigstens gingen diese Türen hier nach innen auf, so dass er sich d agegen stemmen konnte. Die Frau im Laden bemerkte ihn und eilte auf die Tür zu.
„Oh, warten Sie, ich helfe Ihnen.“ Sie war ein wenig größ er als er, schlank, eher hager , ihr längliches, dezent geschminktes Gesicht wirkte ausgezehrt und ihre nervösen Bewegungen kannte er von Menschen, die ständig versuchten, es allen recht zu machen. Als er sich vorstellte und seinen Ausweis zeigte, erschrak sie.
„Es ist doch nichts mit Chrissy?“ Sie strich sich mit den Händen über das schlicht geschnittene Kleid, zu dem sie flache Schuhe trug.
„Chrissy ist Ihre Tochter?“ Er schaltete blitzschnell.
„Ja. Ist etwas mit ihr?“
„Ihre Tochter hat rotes Haar, ja?“ Nicht Tim Wilcox – seine Begleiterin hatte wohl hier angerufen ...
Erica Wagner runzelte die Stirn.
„Ja, bitte, jetzt sagen Sie schon...“
Er lächelte beruhigend und schüttelte den Kopf.
„Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Es ist nichts mit ihr.“
Erleichtert atmete sie aus. Also kein Telefonat, um Drogen zu besorgen, sondern um Mama anzurufen. Er sah sich um. Der Laden war mit Stoffen und Seilen zugestopft, zwei schmale Gänge führten zwischen hohen Regalen und langen Tischen hindurch.
„Können wir uns irgendwo unterhalten, Miss Wagner?“
Er folgte ihr zum Ende des Raumes an einen Holztisch mit vier segeltuchbespannten Stühlen. Erica Wagners Augen zuckten nervös.
„Leider ist meine Mitarbeiterin seit gestern krank, ich bin im Moment ein bisschen überlastet.“
Er gl aubte ihr aufs Wort. Ihre feingliedrigen Hände waren immer in Bewegung. Mal strich sie sic h übers Handgelenk, mal über den Tisch , dann faltete sie sie wieder . Für einen Moment ließ sie ihren Blick sorgenvoll durch den Laden schweifen.
„Kennen Sie Tim Wilcox?“, fragte er.
„Wilcox, Tim Wilcox?“ Sie zog den Kopf etwas ein. „Schrecklich. Ich habe es in der Zeitung gelesen.“
„Kannten Sie ihn persönlich?“
Ein nervöses kurzes Lächeln.
„Er hat damals als mein Mann starb, alles abge wickelt. Sie wissen schon, die ganzen Formalitäten, wenn jemand gestorben ist.“
„Hat Chrissy ihn auch kennen gelernt?“
„Ja, natürlich. Nachdem mein Mann tot war, hatten wir viel Kontakt zu den Wilcox’.“ Sie versuchte ein Lächeln.
„Auch zu seiner Frau ?“
„Zu Carol? Aber sicher.“
Chrissy kannte Tim, kannt Carol. Und Carol kannte Chrissy... Wusste Carol etwa auch von der Affäre ihres Mannes?
„Sie betreiben das Geschäft ganz allein?“, fragte er weiter.
Ein tiefer Seufzer, ein weiterer sorgenvoller Blick über die Regale.
„Ja, muss ich. Wie gesagt, mein Mann ist gestorben. Schlaganfall, mit neunundvierzig.“ Sie rieb über ihre Ellbogen .
„Ich wollte es zuerst verkaufen, aber dann dachte ich, der Laden und Chrissy s ind das Einzige, was mir von Riley geblieben ist, also hab’ ich die Ärmel hochgekrempelt und
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