Undercover
studierte das Foto als wäre es das Kleingedruckte eines Vertrags. Schließlich setzte er die Brille ab und lächelte gezwungen.
„Tja, wissen Sie, es kommen so viele Leute her.“
Er hat Hasenzähne, fiel Shane auf und fragte in schärferem Ton:
„War diese Lady einmal hier?“
Henry Rodd zögerte, blickte wieder auf das Bild, dann auf Shane.
„Kann sein.“ Er versuchte ein unbefangenes Lächeln, das ihm gründlich misslang. „Hier kommen so viele her. Wir haben `ne ganz gute Lage, sind auf dem Weg zur Küste. Viele Touristen, die ....“
„Ich h ätte gern Ihr Gästebuch gesehen “ , fiel iihm Shane ins Wort.
Widerwillig schob ihm Rodd ein großformatiges Heft mit schwarzem Pappdeckel über den Tisch. Shane blätterte die Seiten durch, auf denen in unleserlicher Schrift, die wahrscheinlich die von Henry Rodd war, Namen und Daten eingetragen waren. Doch Shane ließ sich so schnell nicht entmutigen. Carol hatte die Visitenkarte diese s Motels in der Handtasche mit sich herumgetragen. Es musst einen Grund dafür geben.
„Sagen Sie“, begann Henry Rodd auf einmal zögerlich.
Shane hielt im Blättern inne und sah auf. Rodd deutete auf die Zeitung, die noch vor ihm lag.
„Ich will nicht in Schwierigkeiten kommen... aber e s geht ja wohl um den Mord, nicht wahr?“
„Tim Wilcox, ja.“
„Ich wi ll hier keinen Auflauf - v on Polizei und Presse, und so. Die Leute hier wollen ihre Ruhe, wenn sie herkommen.“
„Klar.“
Rodd schnalzte ein paar Mal mit der Zunge, dann tippte er mit seinem hageren, gefleckten Zeigefinger auf das Foto von Carol.
„An sie kann ich mich nicht erinnern.“
Na, prima, dachte Shane. Die ganze Fahrt war also umsonst.
„Aber“, Henry Rodd legte seinen Finger ohne hinzusehen auf eine andere Stelle der Zeitung. „Aber den da kenn’ ich.“
Shane starrte auf das Foto, das Tim Wilcox zeigte.
„Tim Wilcox?“
Henry Rodd zuckte die Schultern.
„So hat er sich nicht genannt.“ Er drehte das Gästebuch zu sich und blätterte.
„Hier.“ Rodd deutete auf einen Namen. „ Rudy Edwards .“
„Er hatte ein Doppelzimmer?“
„Ja. Er war mit einer jungen Frau hier. Meistens am Freitag a bend oder auch mal am Wochen ende.“ Rodd setzte die Brille wieder auf , stützte beide Arme breit auf die Theke und sah Shane herausfordernd an. „Wer mit wem ist nicht meine Sache. Ic h vermiete nur die Zimmer. A lles andere interessiert mich nicht .“
„Ich bin kein Moralapostel, Henry. Wissen Sie wie die Frau hieß , mit der Wilcox oder Rudy Edwards, wie er sich nannte, kam ?“
Rodd schob die Unterlippe vor und schüttelte den Kopf.
„Laut Eintrag war’s seine Frau. Aber das war sie ja wohl nicht.“ Er sah auf das Foto von Carol.
„Nein. Das war sie nicht. Bitte versuchen Sie sie zu beschreiben.“
Rodd blies die Backen auf und ließ dann die Luft entweichen . Eine deutlichere Art Unmut oder vielleicht auch Überforderung zu zeigen, gab es kaum.
„Mister Rodd, bitte!“
Rodd verschränkte die Arme vor der Brust .
„Na ja, sie wa r sicher höchstens zwanzig, wahrscheinlich jünger. Aber da kann man sich ja täuschen. Besonders heute, wo die jungen Mädchen alle so erwachsen aussehen.“
„Also höchstens zwanzig, und weiter? Welche Haarfarbe, groß, klein, Brille, ... ? “
„Rot! Rote Haare hatte sie.“
„Na, das ist doch immerhin schon etwas.“
Nach und nach beschrieb Henry Rodd eine sehr schlanke, junge Frau, mit langem, rotem Haar, die keine Brille trug.
„Henry, ich will wissen, welche Nummern von den Zimmern, die sie gemietet haben angerufen wu rden. So ein Verzeichnis haben Sie doch sicher in I hrer Rechnung?“
Mit einer schwerfälligen Bewegung holte Rodd einen Ordner unter der Theke hervor und blätterte bis er auf eine bestimmte Seite gestoßen war. Shane beugte sich darüber. Tim Wilcox und seine junge Geliebte waren innerhalb von vier Monaten neun mal im BELLAVISTA Motel gewesen. Sechs Telefonate wurden von dem jeweiligen Zimmer, das sie bewohnten, geführt. Jedes mal wurde dieselbe Nummer angerufen.
Der Anschluss war auf den Namen Erica Wagner Sailing Supplies in Maroochydore angemeldet, wie Shane feststellte, indem er die Nummer wählte. Was hatte diese Frau mit Tim Wilcox zu tun? Diente das Geschäft als Deckadresse für andere Geschäfte?
Als Shane aus der Einfahrt des Motels fuhr, zeigten sich am tiefblauen Himmel vereinzelt e graue Wolken. Heiße Luft wehte durch das geöffnete Seitenfenster herein . Er schloss es und schaltete die
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