Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
in einer der Kabinen übergab. Nicht so sehr wegen der beiden Szenen, ich hatte schon Schlimmeres erlebt, sondern aus Zorn, Wut und Frustration. Alle diese korrosiven Emotionen kochten in mir hoch und brauchten irgendein Ventil. Ich spülte meinen Mund aus, wusch mir das Gesicht, trank etwas Wasser aus dem Hahn und blieb einen Augenblick vor dem Spiegel stehen.
Dann leerte ich meine Taschen aus. Ich behielt mein Bargeld und meinen Pass, meine Bankkarte und Metrocard sowie Theresa Lees Visitenkarte mit NYPD -Aufdruck. Ich behielt meine Zahnbürste. Ich behielt das Handy, das vorhin geklingelt hatte. Die beiden anderen Mobiltelefone warf ich in den Papierkorb, ebenso das Ladegerät für Notfälle, die Visitenkarte der vier ermordeten Männer und die drei Blätter Notizen, die Theresa Lee sich zu den SMS ihres Partners gemacht hatte.
Auch die DVD flog hinein.
Und der USB -Stick aus dem Radio Shack mitsamt der rosa Staubkappe und allem.
Solcherart erleichtert ging ich hinaus, um zu sehen, ob Springfield sich irgendwo in der Nähe aufhielt.
Er war in der Nähe. Saß in einem Sessel, in dem er nur eine Ecke der Halle hinter sich hatte. Auf dem Tischchen vor ihm stand ein Glas Wasser. Er wirkte entspannt, aber er hatte alles im Blick. Eine Ausbildung bei den Special Forces wirkte lebenslang nach. Er sah mich kommen. Ich setzte mich neben ihn. Er fragte: »War es afghanische Volksmusik?«
»Ja«, sagte ich. »Das war es.«
»Auf einer DVD ?«
»Mit ein paar Tanzvorführungen.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Sie schauen reichlich blass um die Nase aus. Afghanische Volkstänze sind ziemlich mies, das weiß ich, aber nicht so schlecht.«
»Auf der DVD waren Videos«, erklärte ich. »Zwei Männern sind der Bauch aufgeschlitzt, die Eingeweide herausgehoben und auf die Brust gelegt worden.«
»Live vor laufender Kamera.«
»Und dann tot vor laufender Kamera.«
»Mit Ton?«
»Stumm.«
»Wer waren die Männer?«
»Einer war ein Taxifahrer in Kabul, der andere Susan Marks Sohn.«
»Ich fahre in Kabul nicht mit dem Taxi, sondern organisiere mir eigene Transportmittel. Aber für die USC ist das Pech. Sie hat einen Footballverteidiger weniger. Schwierig zu finden. Ich habe mich mal für ihn interessiert. Seine Fußarbeit ist große Klasse, heißt es.«
»Jetzt nicht mehr.«
»Sind die Hoths auf Video zu sehen?«
Ich nickte. »Also wollten sie ein Geständnis ablegen.«
»Spielt keine Rolle. Sie wissen ohnehin, dass wir vorhaben, sie umzulegen. Kommt eigentlich nicht darauf an, weshalb wir sie umlegen.«
»Mir schon.«
»Werden Sie endlich vernünftig, Reacher. Das war der ganze Zweck dieser DVD . Die beiden wollen Sie wütend machen und dann einsaugen. Sie können Sie nicht finden. Deshalb sollen Sie zu ihnen kommen.«
»Was ich tun werde.«
»Ihre Absichten sind Ihre Sache. Aber Sie müssen sich in Acht nehmen. Sie müssen begreifen, was hier gespielt wird. Weil das seit zweihundert Jahren ihre Taktik ist. Daher haben sie ihre Gräueltaten immer in nächster Nähe zur Front verübt. Sie wollten Rettungstrupps anlocken oder Vergeltungsangriffe provozieren. Sie wollten immer wieder neue Gefangene machen. Das können Sie die Briten fragen. Oder die Russen.«
»Ich werde vorsichtig sein.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Aber Sie gehen nirgends hin, bevor wir Sie wegen der Sache in der U-Bahn ausgequetscht haben.«
»Ihr Mann hat das Gleiche gesehen wie ich.«
»Es liegt in Ihrem Interesse, uns zu helfen.«
»Glauben Sie? Bisher habe ich nur Versprechungen gehört.«
»Sämtliche Ermittlungen gegen Sie werden eingestellt, sobald wir den USB -Stick aus Ihrem Besitz haben.«
»Das reicht nicht.«
»Wollen Sie das schriftlich?«
»Nein, ich will, dass die Ermittlungen sofort eingestellt werden. Ich brauche Handlungsfreiheit, muss mich frei bewegen können. Ich kann nicht die ganze Zeit Ausschau nach Cops halten.«
»Handlungsfreiheit wofür?«
»Das wissen Sie.«
»Okay, ich tue, was ich kann.«
»Das reicht nicht.«
»Ich kann keine Garantien geben. Ich kann’s nur versuchen.«
»Wie hoch sind Ihre Erfolgschancen?«
»Äußerst gering. Aber Sansom könnte etwas erreichen.«
»Sind Sie berechtigt, für ihn zu sprechen?«
»Ich müsste ihn anrufen.«
»Sagen Sie ihm, dass ich keinen Scheiß mehr hören will, okay? Über dieses Stadium sind wir hinaus.«
»Okay.«
»Und reden Sie auch über Theresa Lee und Jacob Mark mit ihm. Und über Docherty. Ich will, dass alle Ermittlungen gegen sie eingestellt
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