Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
Monaten tot ist. Aber das ist eben die Wirkung. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, ist das Video ein ziemlich guter Ersatz.«
    »Sie sind verrückt«, wiederholte ich. »Und Sie sind so gut wie tot. Ist Ihnen das klar? Sie sind gerade auf die Straße getreten. Der Lastwagen hat Sie noch nicht erfasst, aber das passiert bald.«
    »Sind Sie der Lastwagen?«
    »Darauf können Sie Gift nehmen.«
    »Das freut mich. Sehen Sie weiter zu.«
    Ich klickte den schnellen Vorlauf mehrmals an, sodass der Film mit vierfacher, dann mit achtfacher, sechzehnfacher und schließlich zweiunddreißigfacher Geschwindigkeit ablief. Für die Zeit galt das Gleiche. Eine Stunde. Anderthalb. Dann war keine Bewegung mehr zu erkennen. Der Taxifahrer lag völlig reglos da. So blieb er lange liegen, bis Lila Hoth von der Seite ins Bild kam. Ich drückte den Knopf Play , um den schnellen Vorlauf zu beenden. Lila beugte sich über den Mann und versuchte – offenbar vergeblich –, an der Halsschlagader einen Puls zu ertasten. Dann hob sie den Kopf und lächelte zufrieden.
    Genau in die Kamera. Mir direkt ins Gesicht.
    Aus dem Handy drang ihre Stimme: »Ist’s schon vorbei?«
    Ich sagte: »Ja.«
    »Eine Enttäuschung. Er hat nicht lange durchgehalten. Er war krank. Er hatte Parasiten. Würmer. Wir konnten die ganze Zeit sehen, wie sie sich in seinen Eingeweiden gewunden haben. Das war widerlich. Ich vermute, dass auch sie verendet sind. Parasiten gehen ein, wenn ihr Wirt stirbt.«
    »Wie Sie sterben werden.«
    »Sterben müssen wir alle, Reacher. Die Frage ist nur, wann und wie.«
    Hinter mir stand eine der beiden Frauen auf und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Ich drehte mich samt Stuhl um und versuchte, den Bildschirm mit meinem Körper zu verdecken. Aber das gelang mir anscheinend nicht ganz. Sie musterte mich mit eigenartigem Blick und rauschte hinaus.
    Oder vielleicht hatte sie meinen Teil des Gesprächs mitgehört.
    »Sehen Sie weiter zu«, forderte Lila mich auf.
    Ich schaltete wieder auf schnellen Vorlauf um. Eine Zeit lang wurde noch der tote Taxifahrer in der Nähe von Kabul gezeigt, dann endete diese Szene und wurde durch Grieseln auf dem Bildschirm ersetzt. Wenig später begann eine neue Szene. Ich drückte auf Play . Normale Geschwindigkeit. Diesmal zeigte die Kamera einen Raum. Das gleiche grelle Licht. Unmöglich zu beurteilen, ob es Tag oder Nacht war. Unmöglich zu erraten, wo dieser Raum lag. Vielleicht in einem Keller. Alles schien weiß gestrichen zu sein, selbst der Fußboden. In der Raummitte war auf einem niedrigen Sockel eine Steinplatte montiert. Kleiner als der Felsblock in Afghanistan. Rechteckig, für einen bestimmten Zweck bestellt und geliefert.
    An die vier in die Steinplatte eingelassenen Ringe war ein hünenhafter junger Mann gefesselt.
    Er war ungefähr halb so alt wie ich und in jeder Beziehung ein Fünftel größer als ich.
    Er besteht aus hundertdreißig Kilo Muskeln, hatte Jacob Mark gesagt. Er will zur National Football League.
    Lila Hoth fragte: »Sehen Sie ihn?«
    »Ich sehe ihn.«
    Er war nackt. Im grellen Licht sehr weiß. In allem völlig anders als der Taxifahrer aus Kabul. Blasse Haut, zerzaustes blondes Haar. Kein Bart. Aber er bewegte sich ganz gleich. Sein Kopf flog von einer Seite zur anderen, und er kreischte Wörter. Nein! und Bitte! sind in allen Sprachen unverkennbar. Und er sprach Englisch. Ich konnte ihm die Wörter ganz leicht von den Lippen ablesen, konnte sogar seinen Tonfall ahnen. Der eines Menschen, der erkennen muss, dass etwas, das er für eine leere Drohung oder vielleicht für einen grausamen Scherz gehalten hat, tödlich ernst gemeint war.
    Ich sagte: »Das sehe ich mir nicht an.«
    Lila Hoth erklärte: »Sie sollten’s aber tun. Sonst sind Sie sich Ihrer Sache nie sicher. Vielleicht haben wir ihn laufen lassen.«
    »Wann war das?«
    »Wir haben ein Ultimatum gestellt und uns strikt daran gehalten.«
    Ich gab keine Antwort.
    »Sehen Sie sich den Film an.«
    »Nein.«
    Lila sagte: »Aber ich möchte, dass Sie ihn sich ansehen. Sie müssen ihn sich sogar ansehen. Es geht darum, dass die Sequenz gewahrt wird. Weil ich glaube, dass Sie der Nächste sein wer-
den.«
    »Irrtum!«
    »Sehen Sie sich ihn an.«
    Ich sah ihn mir an. Sonst sind Sie sich Ihrer Sache nie sicher. Vielleicht haben wir ihn laufen lassen.
    Sie ließen ihn nicht laufen.

64
     
    Anschließend schaltete ich das Handy aus, steckte die DVD ein und schaffte es bis auf die zur Hotelhalle gehörende Toilette, wo ich mich

Weitere Kostenlose Bücher