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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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nickte wortlos. In seine Augen war ein geistesabwesender Blick getreten. Vermutlich durchlebte er die damalige Reise noch einmal. Transportflugzeuge, Hubschrauber, Lastwagen, Fußmärsche.
    Alles vor langer Zeit.
    »Dann Afghanistan.«
    »Weiter«, sagte er.
    »Sie sind der Flanke des Abas Ghar gefolgt und durchs Korengaltal nach Südwesten marschiert – meistens dreihundert Meter über der Talsohle, vermute ich.«
    »Weiter.«
    »Sie sind auf Grigorij Hoth gestoßen, haben ihm sein Gewehr abgenommen und ihn laufen lassen.«
    »Weiter.«
    »Und dann sind Sie zu Ihrem befohlenen Ziel weitermarschiert.«
    Er nickte.
    Ich sagte: »Das ist alles, was ich bisher weiß.«
    Er fragte: »Wo waren Sie im März 1983?«
    »West Point.«
    »Was war dort das große Thema?«
    »Dass die Rote Armee sich bemühte, ihre Verluste zu verringern.«
    Er nickte nochmals. »Ihr Feldzug war total verrückt. Niemand hat es je geschafft, die Stämme an der Nordwestgrenze zu unterwerfen. Und die Russen hätten aus unseren Erfahrungen in Vietnam lernen können. Manche Dinge sind einfach nicht zu schaffen. So sind sie im Zeitlupentempo durch den Fleischwolf gedreht worden. Als würden sie von Vögeln totgehackt. Was uns natürlich sehr recht war.«
    »Wir haben mitgeholfen«, sagte ich.
    »Allerdings! Wir haben den Mudschaheddin alles geliefert, was sie wollten. Umsonst.«
    »Wie im Rahmen des Leih- und Pachtvertrags.«
    »Schlimmer«, sagte Sansom. »Die Leih- und Pachtlieferun-
gen waren für Freunde, die zufällig gerade bankrott waren. Die Mudschaheddin waren nicht bankrott. Ganz im Gegenteil. Es gab alle möglichen Stammesbündnisse, die bis nach Saudi-Arabien reichten. Die Mudschaheddin hatten praktisch mehr Geld als wir.«
    »Und?«
    »Haben Leute sich erst einmal daran gewöhnt, alles zu bekommen, was sie verlangen, sind sie schwer wieder davon abzubringen.«
    »Was wollten sie zusätzlich?«
    »Anerkennung«, antwortete er. »Tribut. Dank. Höflichkeit. Persönlichen Kontakt. Es ist nicht einfach, das genau auszudrücken.«
    »Welchen Auftrag hatten Sie also?«
    »Können wir Ihnen vertrauen?«
    »Wollen Sie die gestohlenen Unterlagen zurückhaben?«
    »Ja.«
    »Welchen Auftrag hatten Sie also?«
    »Wir sollten den Führer der Mudschaheddin aufsuchen. Ihm Geschenke überbringen. Allen möglichen protzigen Tinnef von Ronald Reagan persönlich. Wir waren seine persönlichen Botschafter. Wir hatten unsere Anweisungen im Weißen Haus erhalten. Wir sollten bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Schleimer und Arschkriecher auftreten.«
    »Und haben Sie’s getan?«
    »Klar doch.«
    »Das war vor fünfundzwanzig Jahren.«
    »Also?«
    »Wen kümmert das alles jetzt noch? Das ist ein historisches Detail, sonst nichts. Und die Sache hat funktioniert. In Afghanistan ist das Ende des Kommunismus eingeläutet worden.«
    »Aber nicht auch das Ende der Mudschaheddin. Sie sind im Geschäft geblieben.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Sie sind Taliban oder Mitglieder der al-Qaida geworden. Aber auch das ist nur ein Detail. Ihre Wähler in North Carolina werden sich nicht an diese Geschichte erinnern. Die meisten Wähler wissen nicht mehr, was sie zum Frühstück gegessen haben.«
    »Kommt darauf an«, meinte Sansom.
    »Worauf?«
    »Namenserkennung.«
    »Welcher Name?«
    »Im Korengaltal hat sich damals die eigentliche Action abgespielt. Nur eine kleine Frontausbuchtung, aber dort hat die Rote Armee ihr Waterloo erlebt. Die dortigen Mudschaheddin haben ausgezeichnet gekämpft. Deshalb war der lokale Führer der Mudschaheddin wirklich eine große Nummer, ein aufsteigender Star. Er war der Mann, den wir aufsuchen sollten. Und das haben wir getan. Wir sind mit ihm zusammengetroffen.«
    »Und ihm in den Arsch gekrochen?«
    »Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.«
    »Wer war der Mann?«
    »Ursprünglich ein durchaus imponierender Typ. Jung, hochgewachsen, gut aussehend, hochintelligent, sehr engagiert. Und übrigens sehr reich. Ausgezeichnet vernetzt. Er stammte aus einer Milliardärsfamilie in Saudi-Arabien. Sein Vater war mit Reagans Vizepräsidenten befreundet. Aber der Mann selbst war ein Revolutionär. Er hat um seiner Sache willen auf ein Luxusleben verzichtet.«
    »Wer war er?«
    »Osama bin Laden.«

66
     
    Danach herrschte zehn Sekunden lang Schweigen. Zu hören waren nur gedämpfte Großstadtgeräusche, die durchs Fenster drangen, und das sanfte Brausen der Lüftung im Bad. Springfield verließ seinen Platz neben dem Fernseher und setzte sich aufs

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