Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
hielten mich einen Block südlich des Madison Square Garden und des großen alten Postamts auf. An der Straßenecke führte eine schmale Fußgängerpassage an einer Großbaustelle vorbei. Ich hatte erst einen Meter in ihr zurückgelegt, als ein Typ sich vor mich setzte, während ein weiterer hinter mir blieb und ihr Boss neben mir herging. Gut gemacht. Der Boss sagte: »Wir sind bereit, die Sache mit dem Jackett zu vergessen.«
»Das ist gut«, sagte ich. »Ich hab’s nämlich längst getan.«
»Aber wir müssen wissen, ob Sie etwas haben, das uns gehört.«
»Euch?«
»Unserem Auftraggeber.«
»Wer seid ihr Jungs eigentlich?«
»Ich habe Ihnen meine Karte gegeben.«
»Und die hat mir anfangs sehr imponiert. Sie hat wie ein arithmetisches Kunstwerk ausgesehen. Für eine siebenstellige Telefonnummer gibt es über drei Millionen Möglichkeiten. Aber Sie haben nicht einfach irgendeine genommen, sondern eine, von der Sie wussten, dass sie nicht zugeteilt war. Ich dachte, das sei bestimmt schwierig, und war beeindruckt. Aber dann habe ich mir überlegt, dass so was in Manhattan nicht möglich sein kann. Sterben Leute oder ziehen sie weg, wird ihre Nummer ziemlich rasch recycelt. Daraus habe ich geschlossen, dass Sie Zugang zu einer Liste mit Nummern haben, die nie vergeben wurden. Die Netzbetreiber haben alle ein paar davon – für den Fall, dass in einem Film oder im Fernsehen eine Nummer gezeigt wird. Dafür kann man keine echten Nummern nehmen, weil dann Kunden belästigt werden könnten. Als Nächstes habe ich vermutet, dass ihr Menschen im Film- und Fernsehgeschäft kennt. Weil ihr die meiste Zeit als Sicherheitsleute arbeitet, wenn eine Show in der Stadt läuft. Ihr dürft Autogrammjäger abwehren, aber näher kommt ihr nie an die Action heran. Was eine Enttäuschung für Leute wie euch sein muss. Ich wette, dass ihr euch bei der Gründung eurer Firma mehr vorgestellt habt. Und das alles lässt darauf schließen, dass ihr wegen mangelnder Praxis ziemlich außer Übung seid. Deshalb macht ihr mir jetzt noch weniger Sorgen als zuvor. Alles in allem war die Visitenkarte also ein Fehler, was euer Imagemanagement betrifft.«
Der Kerl fragte: »Dürfen wir Sie zu einem Kaffee einladen?«
Zu einem Kaffee sage ich nie Nein, aber ich wollte nicht schon wieder irgendwo sitzen. Deshalb bestand ich auf Kaffee zum Mitnehmen. So konnten wir im Gehen unseren Kaffee trinken und miteinander reden. Wir machten im nächsten Starbucks halt, das wie in den meisten Großstädten einen halben Block entfernt war. Ich ignorierte die fantasievollen Mischungen und bestellte einen großen Becher der Hausmarke, schwarz, ohne Platz für Sahne. Meine Standardbestellung bei Starbucks. Ein guter Kaffee, finde ich. Allerdings ist mir das nicht wirklich wichtig. Mir geht’s um das Koffein, nicht um den Geschmack.
Wir kamen wieder heraus und gingen die Eighth Avenue entlang weiter. Aber vier Personen, die sich im Gehen unterhalten wollen, bilden eine sperrige Gruppe, und der Verkehr war so laut, dass wir uns schon bald zehn Meter weit in einer Seitenstraße wiederfanden. Ich stand im Schatten an das Absperrgitter zur Fahrbahn gelehnt; die anderen drei hatten sich vor mir in der Sonne aufgebaut – leicht nach vorn gebeugt, als hätten sie gewichtige Argumente vorzubringen. Zu unseren Füßen hatte ein geplatzter Müllsack bunte Seiten einer Sonntagszeitung auf dem Gehsteig verstreut. Der Kerl, der als Einziger redete, sagte: »Sie unterschätzen uns gewaltig, auch wenn wir jetzt keinen Pisswettbewerb anfangen wollen.«
»Okay«, sagte ich.
»Sie waren beim Militär, stimmt’s?«
»Army«, sagte ich.
»Das sieht man Ihnen noch an.«
»Euch auch. Special Forces?«
»Nein. So weit haben wir’s nicht gebracht.«
Ich lächelte. Ein ehrlicher Mann.
Der Kerl erklärte: »Wir sind für ein zeitlich begrenztes Unternehmen als hiesige Kräfte engagiert worden. Die Tote hatte ein wertvolles Objekt bei sich. Wir haben den Auftrag, es wieder herbeizuschaffen.«
»Welches Objekt? Wie wertvoll?«
»Informationen.«
Ich sagte: »Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Unser Auftraggeber wollte Daten auf einem Speichermedium wie einem USB -Stick haben. Wir sagten: Nein, das ist zu schwierig aus dem Pentagon rauszuschmuggeln, die Informationen würden mündlich mitgeteilt werden. Gelesen, auswendig gelernt und aufgesagt.«
Ich schwieg. Dachte an Susan Mark in der U-Bahn. An ihr Gemurmel. Vielleicht hatte sie gar keine Bitten oder Ausreden,
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