Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Argumente oder Drohungen eingeübt. Vielleicht hatte sie nur die Informationen aufgesagt, die sie mitteilen sollte, damit sie in ihrem Stress und ihrer Panik nichts vergaß oder durcheinanderbrachte. Durch Auswendiglernen eingeübt. Und sie hatte sich vielleicht gesagt: Ich gehorche, ich gehorche, ich gehorche. Um sich selbst zu beruhigen. Weil sie trotz allem hoffte, dass doch noch alles gut ausgehen würde.
Ich fragte: »Wer ist Ihr Auftraggeber?«
»Das dürfen wir nicht sagen.«
»Womit hat er die Frau unter Druck gesetzt?«
»Das wissen wir nicht. Wir wollen’s auch gar nicht wissen.«
Ich nahm einen Schluck Kaffee. Schwieg.
Der Kerl sagte: »Die Frau hat in der U-Bahn mit Ihnen gesprochen.«
»Ja«, sagte ich. »Das hat sie.«
»Deshalb gehen wir nun operativ davon aus, dass Sie wissen, was sie gewusst hat.«
»Möglich«, sagte ich.
»Unser Auftraggeber ist davon überzeugt. Für Sie bedeutet das ein Problem. Daten auf einem Speichermedium sind keine große Sache. Wir könnten Sie mit einem Schlag über den Schädel flachlegen und Ihre Taschen durchsuchen. Aber etwas in Ihrem Kopf müsste auf andere Weise rausgeholt werden.«
Ich äußerte mich nicht dazu.
Der Kerl fuhr fort: »Deswegen müssen Sie uns wirklich sagen, was Sie wissen.«
»Damit Sie kompetent aussehen?«
Der Kerl schüttelte den Kopf. »Damit Sie heil bleiben.«
Ich trank noch einen Schluck Kaffee, und der Kerl sagte: »Ich appelliere von Mann zu Mann an Sie. Von Soldat zu Soldat. Hier geht’s nicht um uns. Kommen wir mit leeren Händen zurück, werden wir gefeuert, ganz klar. Aber am Montagmorgen arbeiten wir wieder für jemand anders. Aber sobald wir von der Bildfläche verschwinden, sind Sie exponiert. Unser Auftraggeber hat eine ganze Crew mitgebracht. Vorläufig liegt sie noch an der Leine, weil sie nicht gut herpasst. Aber sobald wir weg sind, wird sie von der Leine gelassen. Das ist unvermeidlich. Und Sie wollen wirklich nicht mit diesen Leuten reden.«
»Ich will mit überhaupt niemandem reden. Nicht mit euch, nicht mit ihnen. Ich rede nicht gern.«
»Dies ist kein Scherz.«
»Da haben Sie recht. Eine Frau ist umgekommen.«
»Selbstmord ist kein Verbrechen.«
»Aber was sie dazu getrieben hat, könnte eines sein. Die Frau hat im Pentagon gearbeitet. Das heißt, dass die nationale Sicherheit tangiert ist. Da wär’s besser, rechtzeitig auszusteigen. Sie sollten mit dem NYPD reden.«
Der Kerl schüttelte den Kopf. »Ich gehe lieber ins Gefängnis, als mit diesen Leuten zu reden. Verstehen Sie, was ich sage?«
»Klar doch«, antwortete ich. »Sie sind durch Ihre Autogrammjäger bequem geworden.«
»Wir sind hier die Samthandschuhe. Das sollten Sie nutzen.«
»Sie sind überhaupt keine Handschuhe.«
»Was waren Sie in der Army?«
» MP «, sagte ich.
»Dann sind Sie ein toter Mann. So was haben Sie noch nie gesehen.«
»Wer ist er?«
Der Kerl schüttelte nur den Kopf.
»Wie viele Leute hat er?«
Der Kerl schüttelte erneut den Kopf.
»Geben Sie mir etwas.«
»Sie hören nicht zu. Wenn ich nicht mit dem NYPD reden will, wieso, zum Teufel, sollte ich dann mit Ihnen reden wollen?«
Ich zuckte mit den Schultern, trank meinen Kaffee aus und stieß mich von dem Geländer ab. Machte drei Schritte und warf den Becher in einen Abfallkorb. Ich erklärte: »Rufen Sie Ihren Auftraggeber an und sagen Sie ihm, dass er recht hatte und Sie sich geirrt haben. Erzählen Sie ihm, dass die Frau alle Informationen auf einem USB -Stick hatte, der jetzt in meiner Tasche steckt. Kündigen Sie dann am Telefon, gehen Sie nach Hause, und kommen Sie mir nicht mehr in die Quere.«
Ich lief zwischen zwei vorbeifahrenden Autos über die Straße und ging in Richtung Eighth Avenue davon. Der Boss rief laut hinter mir her, er rief meinen Namen. Ich drehte mich um und sah, dass er sein Handy auf Armeslänge von sich weghielt. Es war auf mich gerichtet, und er starrte auf den kleinen Bildschirm. Dann ließ er das Handy sinken, und alle drei Männer setzten sich in Bewegung. Ein weißer Lieferwagen fuhr zwischen uns hindurch, und sie waren außer Sicht, bevor mir klar wurde, dass ich geknipst worden war.
16
Radio Shacks gibt es ungefähr zehnmal seltener als Starbucks, aber selbst die sind nie mehr als ein paar Blocks entfernt. Und sie öffnen früh. Ich ging in den nächsten, an dem ich vorbeikam, und ein Kerl vom indischen Subkontinent trat vor, um mir behilflich zu sein. Er wirkte beflissen. Vielleicht war ich der erste Kunde des
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