Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
hätte mich auch nach einem Internetcafé umsehen können, aber ich hatte keine Erfahrung mit solchen Recherchen, und außerdem sind Internetcafés viel seltener geworden. Heutzutage benutzt jeder kleine elektronische Geräte, die den Namen von Obst tragen. Internetcafés erleiden das Schicksal von Telefonzellen – von neuen drahtlosen Erfindungen verdrängt.
Im Erdgeschoss der Buchhandlung waren die Neuerscheinungen auf niedrigen Tischen gestapelt. Ich fand Romane, Biografien, Bücher über Geschichte und Wirtschaft, aber keine über Politik. Was ich suchte, war weiter hinten aufgestapelt. Kommentare und Meinungen von links und rechts, dazu von Ghostwritern geschriebene Autobiografien mit glänzenden Schutzumschlägen und retuschierten Fotos der Verfasser. John Sansoms Buch war ungefähr anderthalb Zentimeter dick und trug den Titel Immer im Dienst. Ich nahm eines mit und fuhr mit der Rolltreppe in den zweiten Stock hinauf, wo es laut Informationstafel Zeitschriften gab. Ich sammelte alle Nachrichtenmagazine ein und ging dann zu den Militärbüchern. Dort blätterte ich kurz in einigen Sachbüchern und fand bestätigt, was ich vermutet hatte: Das Human Resources Command der Army tat nichts anderes als das, was das Personnel Command zuvor getan hatte. Es hatte nur den Namen geändert. Eine Umfirmierung. Keine neuen Aufgaben. Papierkram und Personalakten wie immer.
Dann setzte ich mich auf eine Fensterbank und begann, das zusammengetragene Zeug zu lesen. Mein Rücken fühlte sich heiß an von der Sonne, die durchs Glas brannte, während meine Vorderseite kalt war, weil sich direkt über mir ein Lüftungsschlitz der Klimaanlage befand. Früher hatte ich immer ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich in Buchläden las, ohne die Absicht zu haben, etwas zu kaufen. Aber die Buchhandlungen selbst stört das anscheinend nicht. Sie ermutigen einen sogar dazu. Manche stellen sogar Sessel auf. Das scheint ein neues Geschäftsmodell zu sein. Die Buchhandlung hatte eben erst geöffnet, aber sie sah bereits wie ein Flüchtlingslager aus. Überall Leute, die inmitten von Bücherstapeln, die viel höher waren als meiner, auf Stühlen oder dem Boden saßen.
Alle Nachrichtenmagazine brachten Wahlkampfberichte zwischen Anzeigen und Storys über medizinische Innovationen und technische Fortschritte. Berichtet wurde vor allem über die Präsidentschaftswahl, aber auch für Abgeordnetenhaus und Senat fielen jeweils ein paar Zeilen ab. Wir waren vier Monate von den ersten Vorwahlen und vierzehn Monate von den eigentlichen Wahlen entfernt; einige Kandidaten waren bereits abgeschlagen, aber Sansom lag weiter gut im Rennen. Er schnitt bei Umfragen in seinem Heimatstaat gut ab, sammelte massenhaft Wahlkampfspenden ein, hatte eine direkte Art, die als erfrischend angesehen wurde, und galt aufgrund seiner Militärkarriere als für praktisch alles qualifiziert. Obwohl man dann auch sagen könnte, ein Müllmann könne Oberbürgermeister sein. Vielleicht, vielleicht auch nicht. In dieser Annahme steckt keine Logik. Aber die meisten Journalisten mochten den Mann, das war klar. Und sie erachteten ihn offenbar als für größere Aufgaben befähigt. Er wurde als möglicher Präsidentschaftskandidat in vier oder acht Jahren gehandelt. Ein Journalist deutete sogar an, er könnte aus dem Senatswahlkampf herausgeholt werden, um schon diesmal als Vizepräsident zu kandidieren. Der Kerl war jedenfalls bereits jetzt eine Art Berühmtheit.
Der Buchumschlag wirkte stilvoll. Er begnügte sich mit seinem Namen, dem Titel und zwei Fotos. Das größere war ein körniges, unscharfes Actionfoto, das vergrößert den Hintergrund bildete. Es zeigte einen jungen Mann in einem abgewetzten, am Hals offenen Kampfanzug mit Buschhut und voller Tarnbemalung. Überlagert war es mit einem neueren Porträtfoto desselben Typs – viele Jahre später, diesmal im Geschäftsanzug. Offenbar Sansom einst und jetzt. Alle seine Argumente auf einem einzigen Buchumschlag.
Die neuere Aufnahme war gut ausgeleuchtet, scharf und kunstvoll angeordnet. Sie zeigte ihn als kleinen, drahtigen Kerl, der weniger als einen Meter fünfundsiebzig maß und keine siebzig Kilo wog. Kein Pitbull, sondern eher ein Terrier, zäh und ausdauernd wie die Besten in den Special Forces. Das ältere Foto zeigte ihn vermutlich in einer regulären Einheit, vielleicht bei den Rangern. Meiner Erfahrung nach trugen Deltas damals Bärte, Sonnenbrillen und karierte Palästinensertücher. Teils wegen der Gegenden, in
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