Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Tages. Ich fragte ihn nach Handys mit Kameras. Er sagte, praktisch alle hätten Kameras. Manche hätten sogar eine Videofunktion. Ich erklärte ihm, ich wolle sehen, wie gut die Fotos würden. Er griff nach dem nächstbesten Handy. Ich stellte mich an die Rückwand des Ladens, und er fotografierte mich von der Kasse aus. Die Aufnahme war klein und nicht besonders scharf. Mein Gesicht blieb undeutlich. Aber meine Größe, meine Figur und meine Haltung waren gut getroffen. Jedenfalls gut genug, um ein Problem zu sein. Tatsächlich ist mein Gesicht in jeder Beziehung durchschnittlich. Leicht zu vergessen. Die meisten Leute erkennen mich wahrscheinlich an meiner Statur, die alles andere als durchschnittlich ist.
Ich erklärte dem Mann, ich wolle das Handy nicht. Er versuchte, mir stattdessen eine Digitalkamera zu verkaufen. Sie strotzte von Megapixel. Sie würde bessere Bilder machen. Ich sagte, ich wolle auch keine Kamera. Aber ich kaufte ihm einen USB -Stick ab, ein Speichermedium für Daten. Den kleinsten und billigsten, den er hatte. Ein reiner Dekorationsartikel, für den ich kein Vermögen ausgeben wollte. Das winzige Ding steckte in einer hochfesten Kunststoffpackung. Ich ließ sie mir mit einer Schere aufschneiden. Mit solchem Zeug kann man sich die Zähne ruinieren. Der Stick wurde mit zwei Aufsteckkappen geliefert: blau und rosa. Ich benutzte die rosa Kappe. Susan Mark hatte eigentlich nicht wie der rosa Frauentyp gewirkt, aber die Leute sehen, was sie zu sehen erwarten. Eine rosa Staubkappe bezeichnet etwas, das einer Frau gehört. Ich schob den Stick in die Hosentasche zu meiner Zahnbürste, dankte dem Mann für seine Hilfe und überließ es ihm, den Verpackungsmüll zu entsorgen.
Ich folgte der 28th Street zweieinhalb Blocks weit nach Osten. Unterwegs waren viele Leute hinter mir, aber ich kannte niemanden, und niemand schien mich zu kennen. Am Broadway fuhr ich zur U-Bahn hinunter und zog meine Karte durch den Entwerter. Dann verpasste ich die nächsten neun Züge stadteinwärts. Ich saß einfach in der Hitze auf einer Holzbank und ließ sie alle vorbeifahren. Teils, um mich auszuruhen, teils, um etwas Zeit totzuschlagen, bis die Geschäfte in der Innenstadt öffneten, und teils, um mich zu vergewissern, dass ich nicht beschattet wurde. Neunmal kamen und gingen Scharen von Fahrgästen, und ich war jedes Mal sekundenlang auf dem Bahnsteig allein. Niemand ließ das geringste Interesse an mir erkennen. Als ich nicht mehr auf Menschen achten musste, begann ich, Ausschau nach Ratten zu halten. Ich mag Ratten. Man sieht sie seltener, als die meisten Leute denken. Ratten sind scheu, und die, die sich sehen lassen, sind meist jung, krank oder ausgehungert. Sie werden von Essensresten angelockt, das ist alles. Und es gibt keine Riesenratten so groß wie Katzen. Alle Ratten sind ungefähr gleich groß.
Ich bekam keine Ratte zu sehen und wurde allmählich unruhig. Ich stand auf, kehrte den Gleisen den Rücken zu und betrachtete die Plakate an den Wänden. Eines stellte das gesamte U-Bahn-Netz dar. Zwei machten Werbung für Musicals am Broadway. Eines war eine amtliche Mitteilung, die das sogenannte U-Bahn-Surfen verbot. Dazu gehörte eine schwarz-weiße Zeichnung von einem Kerl, der wie ein Seestern an der Tür eines U-Bahnwagens klebte. Die älteren Wagen hatten offenbar noch schmale Trittleisten unter den Türen, die den Spalt zwischen Wagen und Bahnsteigkante verringern sollten, und über den Türen fingerbreite Regenrinnen, die herablaufendes Wasser ableiteten. Ich wusste, dass die neuen R142A beides nicht besaßen. Das hatte mein verrückter Mitfahrer mir erklärt. Aber bei älteren Wagen konnte man auf dem Bahnsteig warten, bis die Türen sich schlossen, auf die Fußleiste treten, die Finger in die Regenrinne haken und sich außen an den Wagen gepresst in rasender Fahrt durch die Tunnels tragen lassen. U-Bahn-Surfen. Für manche vielleicht ein Riesenspaß, aber jetzt illegal.
Ich wandte mich wieder den Gleisen zu und stieg in den zehnten einfahrenden Zug. Dieser R-Train wies Trittleisten und Regenrinnen auf. Aber ich fuhr innen, zwei Stationen weit zu der großen Station am Union Square.
Am Union Square kam ich in der Nordwestecke nach oben und machte mich auf den Weg zu der großen Buchhandlung, an die ich mich in der 17th Street erinnerte. Politiker, die nach Höherem streben, veröffentlichen ihre Autobiografie im Allgemeinen vor der Wahlkampfzeit, und Nachrichtenmagazine berichten laufend über sie. Ich
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