Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Menschen. Vor allem jüngere Menschen, das gebe ich zu. Die Hälfte ist erst fünfzehn oder jünger. Aber das heißt, dass es trotzdem drei Milliarden Menschen gibt, die sechzehn oder älter sind. Bei normaler Verteilung sind etwa zwölf Prozent von ihnen Mitte zwanzig. Das wären dann dreihundertsechzig Millionen Menschen. Ungefähr die Hälfte davon sind Frauen, was hundertachtzig Millionen ergibt. Auch wenn nur jede Hundertste in einer kalifornischen Bar als gut aussehend gälte, ist es noch zehnmal wahrscheinlicher, dass John Sansom der Geliebte meiner Mutter war, als dass ich etwas mit Susan Marks Sohn zu schaffen hatte.«
Ich nickte. Rechnerisch war Lila Hoths Beweisführung unwiderlegbar. Sie fuhr fort: »Außerdem stimmt es wahrscheinlich, dass Peter sich irgendwo mit einem Mädchen herumtreibt. Ja, ich kenne seinen Namen. Ich weiß alles über ihn. Susan hat es mir am Telefon erzählt. Wir haben uns über alle unsere Probleme ausgesprochen. Sie hat ihren Sohn gehasst. Hat ihn dafür verachtet, was er ist. Er verkörpert alles, was sie verabscheut hat: ein hohlköpfiger Footballspieler mit infantilen Ansichten. Er hat sie zugunsten seines Vaters zurückgewiesen. Und wissen Sie, weshalb? Weil er von dem Gedanken an seine Abstammung besessen war. Und Susan war adoptiert worden. Haben Sie das überhaupt gewusst? Ihr Sohn hat es nicht geschafft, über ihre uneheliche Geburt hinwegzukommen. Er hat sie deswegen gehasst. Ich weiß mehr über Susan als sonst jemand. Ich habe sehr oft mit ihr telefoniert. Sie war eine einsame, isoliert lebende Frau und ganz aufgeregt bei dem Gedanken hierherzukommen und mich kennenzulernen. Ich war ihre Freundin.«
Zu diesem Zeitpunkt spürte ich, dass Theresa Lee es allmählich eilig hatte, und ich wollte selbst weg sein, wenn der junge Leonid hier wieder aufkreuzte. Also nickte ich und zuckte mit den Schultern, als hätte ich sonst nichts mehr zu sagen und keine weiteren Fragen mehr zu stellen. Lila Hoth fragte, ob sie den mir von Susan Mark gegebenen USB -Stick haben könne. Ich gab keine Antwort. Wir schüttelten den beiden Hoths nur noch einmal die Hand und verließen die Suite. Die Tür schloss sich hinter uns. Wir gingen den stillen Hotelflur entlang. Der Aufzug öffnete sich mit dezentem Klingeln vor uns. Wir traten in die Kabine, betrachteten uns in den Wandspiegeln, und Lee fragte: »Nun, was denken Sie?«
»Ich denke, dass sie schön ist«, sagte ich. »Eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe.«
»Davon abgesehen.«
»Erstaunliche Augen.«
»Abgesehen von ihren Augen.«
»Ich denke, dass auch sie einsam ist. Einsam und isoliert. Sie hat über Susan gesprochen, aber sie hätte ebenso gut von sich selbst erzählen können.«
»Was ist mit ihrer Story?«
»Billigt man gut aussehenden Menschen automatisch mehr Glaubwürdigkeit zu?«
»Nicht ich, Kumpel. Und Sie kriegen sich hoffentlich bald wieder ein. In dreißig Jahren sieht sie genauso aus wie ihre Mutter. Haben Sie ihr geglaubt?«
»Sie?«
Lee nickte. »Ich habe ihr geglaubt, weil eine Story dieser Art sich lächerlich einfach überprüfen lässt. Nur ein Dummkopf würde uns so viele Chancen geben, sie zu widerlegen. Gibt’s beim Militär zum Beispiel wirklich Pressesprecher?«
»Hunderte.«
»Dann brauchen wir nur den einen zu finden, mit dem sie gesprochen hat, und ihn fragen. Wir könnten sogar die Telefongespräche aus London überprüfen. Dazu könnte ich mich mit Scotland Yard in Verbindung setzen. Das wäre klasse! Docherty will mich unterbrechen, und ich sage: ›Hau ab, Kumpel, ich telefoniere mit Scotland Yard.‹ Das ist der Traum jedes Kriminalbeamten.«
»Die NSA hat die Anrufe gespeichert«, erklärte ich. »Anrufe aus dem Ausland fürs Verteidigungsministerium? Die sind bestimmt längst Bestandteil einer Sicherheitsanalyse.«
»Und wir könnten Susan Marks Gespräche aus dem Pentagon überprüfen. Haben die beiden so oft telefoniert, wie Lila behauptet, müssten sie leicht zu finden sein. Als Auslandsgespräche nach Großbritannien sind sie vermutlich getrennt erfasst.«
»Dann tun Sie’s doch. Kontrollieren Sie sie.«
»Wird gemacht«, sagte sie. »Und sie weiß bestimmt, dass ich das kann. Sie scheint mir eine intelligente Frau zu sein. Sie weiß, dass British Airways und die Heimatschutzbehörde ihre Ein- und Ausreise dokumentieren. Sie weiß, dass wir feststellen können, ob sie jemals nach L . A . geflogen ist. Sie weiß, dass wir Jacob Mark jederzeit fragen können, ob
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