Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Leere. Lila Hoth nahm wieder Platz. Sie sagte: »Darüber hat meine Mutter nie im Einzelnen gesprochen. Spionage kann’s nicht gewesen sein. Meine Mutter war keine Verräterin. Das sage ich nicht als loyale Tochter, sondern als Realistin. Sie lebt noch. Folglich ist sie nie verdächtigt worden. Und auch ihr amerikanischer Freund war kein Verräter. Für ausländische Verräter waren nicht Politkommissare, sondern KGB -Offiziere zuständig. Ich persönlich bezweifle, dass es eine Romanze zwischen den beiden gegeben hat. Wahrscheinlicher ist eine Hilfeleistung, eine persönliche Unterstützung finanzieller oder politischer Art. Vermutlich unter strikter Geheimhaltung. Aber wer weiß, vielleicht hat es doch eine Romanze gegeben. Meine Mutter hat immer nur gesagt, er sei sehr freundlich zu ihr gewesen. Sie lässt sich nicht in die Karten schauen.«
»Fragen Sie sie gleich noch mal.«
»Wie Sie sich denken können, habe ich das schon oft getan. Aber sie will nicht mit der Sprache heraus.«
»Sie glauben also nicht, dass Sansom dieser John gewesen sein könnte?«
»Nein, natürlich nicht. Das war ein Scherz, der ausgeufert ist. Mehr nicht. Es sei denn, dies wäre wirklich der eine Treffer unter einer Million Möglichkeiten. Was außergewöhnlich wäre, finden Sie nicht auch? Man macht einen Scherz und erlebt dann, dass er zutrifft?«
Ich schwieg.
Lila Hoth sagte: »Darf ich Sie jetzt etwas fragen? Hat Susan Mark Ihnen die für meine Mutter bestimmten Informationen gegeben?«
Swetlana Hoth nickte erneut lächelnd. Ich begann zu vermuten, sie erkenne die Worte meine Mutter . Wie ein Hund mit dem Schwanz wedelt, wenn er seinen Namen hört. Ich fragte: »Wie kommen Sie darauf, dass Susan Mark mir Informationen übergeben haben könnte?«
»Weil meine hiesigen Leute mir berichten, Sie hätten gesagt, welche erhalten zu haben. Auf einem USB -Stick gespeichert. Mit dieser Meldung haben sie mir Ihr Foto übermittelt und dann unseren Vertrag gekündigt. Ich weiß nicht recht, weshalb. Ich habe sie sehr gut bezahlt.«
Ich rutschte im Sessel zur Seite und steckte eine Hand in die Tasche. Schob sie an dem zerlegten Handy vorbei, bis ich den USB -Stick aus dem Radio Shack ertastete. Ich spürte die rosa Staubschutzkappe an den Fingernägeln, zog den USB -Stick heraus, hielt ihn hoch und beobachtete dabei sehr aufmerksam Lila Hoths Augen.
Sie starrte den USB -Stick an wie eine Katze einen Vogel.
Sie fragte: »Ist er das wirklich?«
Theresa Lee bewegte sich in ihrem Sessel und schaute mich an, als wollte sie fragen: Erzählen Sie es ihr, oder soll ich es ihr sagen? Lila Hoth sah den Blick und fragte: »Was?«
»Für mich hat alles völlig anders ausgesehen, fürchte ich. Susan Mark hatte in der U-Bahn schreckliche Angst. Sie hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, als wäre sie in New York, um sich mit einer Freundin zum Essen und einer Show zu treffen.«
»Ich habe Ihnen gleich zu Anfang gesagt, dass ich dafür keine Erklärung weiß«, entgegnete Lila Hoth.
Ich steckte den USB -Stick wieder ein, sagte: »Susan hatte keine Reisetasche bei sich.«
»Auch dafür habe ich keine Erklärung.«
»Außerdem hat sie ihr Auto abgestellt und ist mit der U-Bahn gefahren. Was verrückt ist. Hätten Sie ihr Zimmer bezahlt, hätten Sie sicher auch einen Tiefgaragenplatz springen lassen.«
»Springen lassen?«
»Spendiert.«
»Natürlich.«
»Und sie hatte einen geladenen Revolver bei sich.«
»Sie hat in Virginia gewohnt. Soviel ich weiß, sind Waffen dort vorgeschrieben.«
»Sie sind legal«, sagte ich, »aber nicht vorgeschrieben.«
»Ich weiß auch keine Erklärung. Tut mir leid.«
»Und ihr Sohn ist verschollen. Zuletzt ist er gesehen worden, als er mit einer Frau in etwa Ihrem Alter und Ihrem Aussehen eine Bar verlassen hat.«
»Verschollen?«
»Verschwunden.«
»Eine Frau mit meinem Aussehen?«
»Eine absolute Traumfrau.«
»Was bedeutet das?«
»Eine blendend aussehende junge Frau.«
»Welche Bar?«
»Irgendwo in L . A .«
»Los Angeles?«
»In Kalifornien.«
»Ich war noch nie in Los Angeles. Nie im Leben. Ich kenne nur New York.«
Ich schwieg.
Sie sagte: »Sehen Sie sich doch um! Ich bin seit drei Tagen mit einem Touristenvisum in New York und wohne in einem gewöhnlichen Hotel. Ich habe keine Crew, wie Sie sie nennen. Ich war noch nie in Kalifornien.«
Ich schwieg.
Sie sagte: »Gutes Aussehen ist subjektiv. Und ich bin nicht die einzige Frau in meinem Alter. Auf der Welt leben sieben Milliarden
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