Underground
ich war froh, sie in der Nähe zu wissen.
Die Tore zum Klondike Gold Rush Park waren geschlossen, obwohl ein Schild erklärte, dass er geöffnet war. Das schlechte Wetter hielt sowohl die Parkwächter als auch die Besucher davon ab, sich lange im Freien aufzuhalten, sodass wir auch hier auf keinerlei Schwierigkeiten stießen. Quinton und ich konnten problemlos in den Ziegelbruch hinabsteigen. Unsere seltsamen Begleiter blieben oben zurück.
Unter dem Bürgersteig breitete sich erneut der Schmerz in mir aus. In dem Meer aus Geistern schien sich auch Lass in meinem Inneren aufzublasen und fast unerträglich gegen meine Eingeweide und Knochen zu pressen. Ich schluckte den silbernen Nebel des Grau hinunter und begann zu schwitzen.
Erneut glitt ich in die andere Welt, bis ich dort auf das Netzwerk stieß. Heiße Linien schossen in alle Richtungen und bildeten geometrische Formen, die sich plötzlich in barocke Schwünge verwandelten. Energiefunken flogen wie scharfe Geschosse durch das Grau. Quinton fasste mich an der Hand. Seine Berührung fühlte sich seltsam fern und leer an, fast als ob ich in Plüsch greifen würde. Doch sie hielt mich in meinem Körper fest, sodass ich nicht mehr in die Finsternis des Grau mit seinen Millionen brennenden Strahlen gesogen werden konnte.
Quinton schaltete seine Taschenlampe ein. Der Lichtkegel sah aus wie Rauch auf Wasser. Wir rückten Zentimeter
um Zentimeter vorwärts, während ich mich nach etwas umsah, das nicht hierhergehörte. Vielleicht eine Linie, die zu heiß war, die sich mit nichts verband, die frei in dem grauen Netzwerk hin und her schwebte? Lass tobte und wand sich in mir, und auch ich zuckte immer wieder zusammen.
Wir bogen um eine Ecke und trafen dort auf einen Säulengang. Langsam lief ich darauf zu. Lass beruhigte sich und seufzte. Also verließ ich den Säulengang wieder und wandte mich der Ecke zu, wo wir zum ersten Mal Tall Grass und Jenny Nin gesehen hatten, wie sie gemeinsam mit Grandpa Dan und seinen Schattenflügeln um das Feuer gestanden waren. Lass stöhnte auf und schlug um sich. Er kratzte an meinem Rücken, verzweifelt nach einem Ausgang suchend. Mir schauderte, und ich ging einen Schritt weiter. Dann noch einen. Jeder Schritt bedeutete einen Kampf mit dem unwilligen Geist in mir.
Je tiefer wir in die Dunkelheit unter der Straße eindrangen, desto langsamer wurde ich. Lass hingegen war nun geradezu hysterisch. Er brüllte und warf sich gegen mich, sodass ich immer wieder ins Stolpern geriet. Mehrmals sah ich mich gezwungen, stehen zu bleiben und mich an einer Wand abzustützen. Dabei schaute ich mich ununterbrochen nach der Leine um. Doch sie war nirgendwo zu sehen.
In dem Gang, in dem sich Lass damals versteckt hatte, während mir Grass die Mütze geben wollte, die zuerst Bear und dann Jenny gehört hatte, entdeckte ich auf einmal einen glühenden Faden. Er strahlte smaragdgrün in einem alten Zauber, der nach Wasserlinien und Rauch roch. Langsam schlich ich näher. Der Geist in meinem Inneren brach nun endgültig in Panik aus. Er schrie, tobte
und wimmerte und versuchte mich von innen zu zerfetzen.
Doch ich biss die Zähne zusammen. Die Qualen zwangen mich dazu, eine Art Panzer anzulegen, um nicht aufzugeben. Quintons warme Berührung war kaum mehr zu spüren, während ich mich dem grünen Faden näherte, der immer länger und dicker wurde, je näher ich kam. Ein Ende verlor sich in der Ferne, wo er sich – so breit wie mein Daumen – durch Wände bohrte und durch die vibrierenden Linien des Netzwerks schlängelte. Er wirkte wie eine Rebe, die in rasender Geschwindigkeit an einer Kletterhilfe emporwuchs.
Ich hörte, wie die Schnur in Hunderten von Sprachen sang. Als ich danach griff, schrie und zitterte mein körperloser Gefangener und blendete mich für einen Moment vor Angst. Ich schloss die Augen und rang um Luft. Meine Hand griff ins Leere, während mir Tränen über die Wangen liefen und mein ganzer Körper brannte.
Quinton ließ mich los, und ich spürte, wie meine eigene Furcht Lass’ Terror in meinem Körper zu umschließen begann. Als ich stöhnte, heulte Lass verzweifelt auf und ließ sich dann in meinem Kopf in ein dumpfes Nichts sinken. Ich blinzelte, um wieder klarer sehen zu können, und setzte mich auf den Boden. Völlig erschöpft lehnte ich mich gegen eine Wand, während ich versuchte, mich wieder in der normalen Welt zurechtzufinden.
Quinton betrachtete etwas in seiner Hand. Er richtete den Strahl seiner Taschenlampe
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