Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Underground

Titel: Underground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
Vom Netzwerk:
den Energiefaden an seinen Armen viel im Grau erkennen konnte. Doch es schien zu reichen. Vielleicht bemerkte er aber auch nur die Tatsache, dass es keine Leiche gab.
    Er schien sich jeden Moment übergeben zu müssen. Seine Haut schimmerte schweißüberströmt, und das schmutzig gelbe Licht der Laterne ließ ihn krank wirken. Er schüttelte den Kopf, als ob er einen steifen Hals hätte, was mir deutlich zeigte, dass er kurz vor einem hysterischen Anfall stand. Ich hielt meine Hände so, dass er sie sehen konnte, und rührte mich nicht von der Stelle.
    »Will«, sagte ich so ruhig es ging. »Ich habe niemandem etwas angetan. Und ich werde auch dir nichts tun.«
    »Sie haben dich angegriffen. Und du … Du hast ihn erledigt!«
    »Nein, das stimmt nicht. Die beiden wollten nur meine Hilfe.«
    »Aber du hast ihn vor meinen Augen zerfetzt!«, schrie er und zeigte mit zitterndem Finger auf den kleinen Staubhaufen.
    »Nein, Will. Ich kann keine Menschen zerfetzen. Denk doch einmal nach. Das geht nicht. Die Leiche hat sich selbst in Staub aufgelöst. Es war ein Zombie. Das war doch kein Mensch mehr. Es war ein Geist, der in seinem toten Körper gefangen war!«
    Ich hätte nicht so laut werden dürfen. Je schriller ich klang, desto verschreckter wirkte Will, bis er sich schließlich ruckartig umdrehte und davonrannte. Ich wollte ihm
folgen, doch das haarige Wesen hielt mich auf einmal am Arm fest und ließ mich nicht los.
    »Lady, Lady! Tote Lady. Jetzt sind wir quitt.«
    »Was? Wofür sind wir quitt?« Das Ding begann mir auf die Nerven zu gehen.
    Es berührte die tiefen Narben, die sein Auge umrahmten. »Dafür.«
    »Das war ich nicht!«, rief ich wütend. Ich war frustriert und entsetzt zugleich. Im Grunde wollte ich nur noch Will hinterherlaufen, auch wenn ich wusste, dass es dafür bereits zu spät war.
    »Das hier ist wegen dir passiert. Der Schuppenmann hat mich geschlagen. Weil du nicht mitgekommen bist.«
    Ich starrte das haarige Wesen an. Auf einen Schlag war Will vergessen. »Der Schuppenmann?« Ich dachte nach. »Meinst du Wygan? Den Vampir? Den mit den weißen Haaren?«
    Das Wesen nickte. »Ja, den Schuppenmann.«
    Ich fluchte und spuckte auf den Boden, während ich vor Zorn zu zittern begann. Dieser verdammte Wygan! Er war der Vampir gewesen, der den Knoten aus Grau in meine Brust gepflanzt und mich so auf immer mit dem Netzwerk verbunden hatte. Er hatte es ohne meine Einwilligung getan und damit meine Wahrnehmung unwiederbringlich verändert. Wygan hatte also diese bizarre, schlichte Kreatur dazu gebracht, die Drecksarbeit für ihn zu machen. Als sie seinen Auftrag nicht ausführen konnte, hatte er sie bestraft. Und nun machte mir das Wesen diese Bestrafung zum Vorwurf.
    Ich hatte keine Ahnung, was Wygan im Schilde führte, und ich hatte auch keine Lust, es herauszufinden. Doch insgeheim wusste ich, dass sich ein weiteres Zusammentreffen
mit dem Vampir wohl irgendwann nicht mehr vermeiden lassen würde.
    Ich nehme Schwüre sehr ernst. Als ich als Mädchen zu Dingen gezwungen worden war, die ich mir nie ausgesucht hätte, sondern die nur den Träumen meiner Mutter entsprachen, hatte ich einen Schwur geleistet. Ich wollte eine Möglichkeit finden, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und es so zu führen, wie es mir gefiel. Das war mir gelungen. Und doch fand ich mich nun in einer Welt wieder, die ich so nicht angestrebt hatte. Jetzt schwor ich mir etwas anderes: Ich wollte herausfinden, warum mir das alles passiert war, und was Wygan mir tatsächlich angetan hatte.
    Die Kreatur berührte mich an der Schulter und riss mich aus meinen Gedanken. »Quitt.« Dann drehte sie sich um und verschwand wieder in den Schatten des Grau, das sich wie ein Vorhang hinter ihr schloss.
    Ich sah mich um. Auf einmal verspürte ich weder Zorn noch den Wunsch, Will hinterherzulaufen. Mir war nur noch eiskalt, und eine schreckliche Verzweiflung breitete sich in mir aus. Ich zitterte, wie ich so allein unter dem Viadukt stand. Will war verschwunden. Der Staub des befreiten Zombies flog bereits über die Straßen zum Wasser hinüber, und sogar die seltsamen Falter waren nirgendwo mehr zu sehen. Ich ballte die Fäuste, während ich das Gefühl hatte, in einen wilden Strudel aus Emotionen gerissen zu werden. Unsicher stolperte ich über den eisigen Boden unter meinen Füßen. Am liebsten hätte ich aufgeschrien, doch es gelang mir, mich zusammenzureißen. Ich kehrte zum Pioneer Square zurück. Doch die Leere des Platzes unter dem

Weitere Kostenlose Bücher