Underground
lagen die Kaianlagen zum Löschen von Schiffen und ein schmaler Gehweg, auf dem die Gäste des Harbor-Steps -Hotels ihre Hunde ausführen konnten.
Es war eine Gegend, in der die Vergangenheit nicht spukte, denn aus historischer Sicht war das Gestein erst vor relativ kurzer Zeit abgetragen worden, um das Fundament für das Viadukt zu legen. Mit seinen verschiedenen Nebelschattierungen glich die Zeitstruktur des Grau hinter uns der Painted Desert in Arizona. Wir standen am Schnittpunkt
zwischen Geschichte und Leere, und ich konnte den Blick kaum davon abwenden.
Quinton berührte mich an der Schulter und riss mich so aus meiner Versunkenheit. Er führte mich zu einer dunklen Stelle, an der die Treppe in die Stützwand eingelassen war. Darunter erblickte ich eine niedrige Struktur aus Betonblöcken, die an einen Bunker erinnerte. An ihrer Stirnseite war eine rostige Stahltür zu erkennen, auf der ein gelbes, dreieckiges Warnzeichen mit einem merkwürdigen Symbol aus Zacken und Kreisen darauf hinwies, dass nur Befugten der Zutritt erlaubt war.
Quinton holte einen kurzen Zylinder in der Größe einer dicken Taschenlampe aus seinem Mantel und schob ihn in eine Platte, die sich über dem Schloss der Tür befand. Etwas klickte, und er drehte am Türknauf. Dieser sah zwar eigentlich so aus, als ob er sich nicht bewegen sollte, doch das war nur eine Täuschung. Die Tür öffnete sich. Quinton trat in die Dunkelheit hinein und zog mich hinter sich her.
Die Tür schloss sich durch die dicken Gummidichtungen fast lautlos. Wieder hörte ich, wie das Schloss klickte, und Lichter gingen an. Wir befanden uns in einem kleinen Vorraum aus Betonwänden, der in ein größeres Zimmer führte. Dieses war von alten Wänden aus Stein und Ziegel umgeben. Hier standen Regale und Tische aus schlichten Holzplatten sowie verschiedene Behälter, die schon vor langer Zeit von ihren früheren Besitzern weggeworfen worden waren. Überall befanden sich elektronische Geräte, Bücher, Klamotten und Konservendosen. Ein alter Kühlschrank surrte unter einem der Tische. Hier sah es aus wie im Keller eines verrückten Wissenschaftlers.
Eine seltsame Sammlung von Lampen war mit Kabeln
an den Wänden befestigt, um den L-förmigen Raum zu erleuchten. Die Decke war etwa neun Meter hoch, und wir standen genau an der Ecke des L, wobei sich die Tür an der kurzen Seite hinter uns befand. Ein Bett verbarg sich in einem Alkoven, der in die lange Seite des L eingelassen war. Die Stirnwand uns gegenüber bestand aus grobem Bauholz, das mit Hilfe von uralten Metallbändern und riesigen Bolzen zusammengehalten wurde. Die Wand sah so aus, als ob sie aus einem Horrorfilm stammte, der zur Zeit der Queen Victoria spielte. Irgendwie erinnerte mich der Anblick an die gewaltigen Tore einer Burg, in die kleinere Türen hineingeschnitten waren.
Ich schaute mich um. »Wir sind unter dem Bürgersteig«, sagte ich verblüfft. »Oder zumindest zum Teil …«
»Genau. Diese Wand hält die Treppe«, erwiderte Quinton und zeigte auf die Nische, in der das Bett stand.
»Und hier wohnst du?«
»Seit etwa sechs Jahren. Die Firma, die das Harbor-Steps gebaut hat, hat während der Sprengungen des Felsens hier einen Bunker errichtet. Und ich … Na ja, ich habe ihn dann übernommen, als sie ihn nicht mehr brauchten und bevor sie auf die Idee kamen, ihn wieder zu entfernen. Ich habe sichergestellt, dass die relevanten Papiere verschwanden, und sobald das Schild und das Schloss an der Tür angebracht waren, schien jeder sowieso davon auszugehen, dass es sich um Privatbesitz handelt. Vor allem, da es keinen anderen Schlüssel gibt, mit dem man das Schloss aufsperren kann.« Er zuckte mit den Achseln.
»Und woher bekommst du den Strom?«
Er zeigte auf die Betonwand. Ein Teil davon war voller Sicherungskästen. »Er kommt direkt von den Stadtwerken. Das merkt sowieso keiner. Ich habe schon mit
dem Gedanken gespielt, alles ein wenig aufzuräumen, aber je weniger man da macht, desto weniger Aufsehen erregt man. Für das Internet gehe ich entweder in die Bibliothek oder logge mich in eines der zahlreichen WLANs ein, die es inzwischen wie Sand am Meer gibt. Allerdings habe ich kein fließendes Wasser. Was die Klempnerei betrifft, bin ich nicht sonderlich geschickt.«
Ich sah ihn fassungslos an. »Aber wie …«
»Die meisten achten nicht auf Dinge, die so aussehen, als würden sie jemandem gehören. Ich passe immer auf, dass nichts kaputtgeht und alles glattläuft, sodass es auch keinen
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