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Underground

Titel: Underground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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musste, hinterließ ich Quinton eine Nachricht, um ihn um fünfzehn Uhr auf dem Pioneer
Square zu treffen. Er stand in der Nähe der Büste des Häuptlings Sealth und redete gerade mit Zip, als ich auf ihn zukam.
    »… Thoreau protestierte gegen den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg«, sagte er, als ich näher kam.
    Zip steckte eine unangezündete Zigarette zwischen den Lippen, und er sprach wie so oft ziemlich unverständlich, während die Zigarette in seinem Mund auf und ab wippte. Ich hatte mich in den Monaten, seitdem wir uns kannten, an seine seltsame Sprechweise gewöhnt. »Dann hat er also seine Steuern nicht gezahlt«, meinte Zip.
    Quinton nickte. »Genau. Und deshalb landete er im Gefängnis.«
    Zip sah ihn unter seiner Mütze mit den großen Ohrenklappen hervor nachdenklich an. Er rieb sich das stachelige Kinn, während er in einer Hand sein wertvolles Feuerzeug festhielt. »Aha. Dann ist das also nichts Neues. Ich meine, so kann man der Regierung auch zeigen, dass man nicht vorhat, für einen Krieg zu zahlen.«
    »Genau. Wie du siehst, stehst du in einer ehrenvollen Tradition, Mann.«
    »Hm«, grunzte Zip. Er zündete sich endlich die Zigarette an und stampfte mit den Füßen, um sich warm zu halten. »Es wäre allerdings besser gewesen, wenn sie mich dafür nicht in eine Irrenanstalt gesperrt hätten.«
    »Es war ja auch ziemlich übertrieben, dich gleich anzuzünden, Zip.«
    »Ich habe es doch überstanden.« Er blickte auf und bemerkte mich. »Hallo, Harper.«
    »Hi, Zip. Macht es dir etwas aus, wenn ich mal kurz mit Quinton spreche?«
    Er winkte lässig ab. »Klar, mach nur. Ich kann mir ja etwas
zum Essen holen. Die Gotteskrieger bringen am Freitag immer Suppe. Heute ist doch Freitag, oder?«
    »Schon den ganzen Tag lang«, erwiderte Quinton.
    »Gut. Manchmal ändern sie das nämlich einfach. Manchmal kommen sie einfach mittwochs und bringen Würstchen. Die mag ich nicht. Sind wie Finger, und ich esse keine Finger.«
    »Und wie sieht es mit Fischstäbchen aus?«
    Zip zog eine Schnute und runzelte die Stirn. Die noch immer glühende Zigarette hüpfte bedenklich zwischen seinen Lippen hin und her. »Das sind Stäbchen, keine Finger.« Dann schnaubte er, zog sich seine schmutzige Jacke enger um die Schultern und marschierte davon.
    »Glaubst du, er ist beleidigt?«, wollte ich von Quinton wissen.
    »Bei Zip weiß man nie. Also – du wolltest mit mir sprechen …«
    »Genau. Und zwar darüber, was gestern passiert ist. Aber hier ist nicht der richtige Ort dafür.«
    Ich zwang mich, meine Aufmerksamkeit ganz auf das zu richten, womit ich momentan beschäftigt war, um nicht immer wieder an Will zu denken. Kurz sondierte ich die Lage. In unserer Nähe standen zwei Polizisten in dicken Jacken. Sie verhandelten gerade mit einigen Obdachlosen, die vor dem Doc Maynard’s Pub auf Bänken saßen. Zu dieser Jahreszeit gab es nicht viele Touristen in der Stadt, sodass die Polizei einen lockereren Umgang mit den Wermutbrüdern pflegte. Doch da Quinton offenbar Polizisten nicht sehr schätzte, nahm ich nicht an, dass er in ihrer Nähe über Tote sprechen wollte.
    »Verstehe«, erwiderte er. Er biss sich auf die Unterlippe und runzelte die Stirn. »Dann komm mit. Ich weiß, wo wir
reden können. Außerdem bekommst du dann eine bessere Vorstellung davon, was hier eigentlich los ist.«
    Er führte mich Richtung Westen zum Wasser hinunter. Natürlich musste ich daran denken, was ich hier in der Nacht zuvor erlebt hatte, und mir lief ein Schauer über den Rücken. Aber zum Glück gingen wir, nachdem wir die First Avenue überquert hatten, nur einen Block weit. Quinton bog nach rechts in die Post Alley ein. Am südlichen Ende heißt diese Straße zwar nicht offiziell so, aber sie ist nicht viel breiter als an ihrem nördlichen. Es handelt sich in der Tat um eine Gasse. Zwischen den alten Steingebäuden war es bereits dunkel, und die pittoresken roten Ziegel unter unseren Füßen waren mit schmutzigem Eis verkrustet. Ich setzte meine Stiefelsohlen so fest wie möglich auf die unregelmäßige und mit Geistern überzogene Oberfläche, während ich Quinton durch die sich windende Gasse folgte.
    Endlich erreichten wir eine Betonwand, die sich unter der Seneca Street befand, einer Abfahrt des Viadukts. Es war eine drei Stockwerke hohe Stützwand. An ihrer Seite verlief eine breite Steintreppe, die gemeinsam mit dem Straßenunterbau über uns den Eindruck eines geschlossenen Raums vermittelte. Auf der anderen Seite der Gasse

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