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Underground

Titel: Underground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Parkplatz auf das Tor des Waterfall Garden Park am süd östlichen Ende des Blocks traf. Ich beschloss, mich fürs Erste unauffällig im Hintergrund zu halten.
    Die Morgensonne war noch nicht durch die Wolken gebrochen. Trotzdem konnte ich deutlich die Umrisse eines menschlichen Körpers sehen, der dort auf dem Boden lag. Detective Solis und ein Gerichtsmediziner knieten neben der Leiche. Die Zeitschichten schienen aus dem Gleichgewicht geraten zu sein und waren nur noch Zacken, die von Energielinien durchzogen wurden. Die Energielinien befanden sich in steter Bewegung und verknüpften sich immer wieder neu miteinander. Offenbar war das graue Energienetz an dieser Stelle höchst lebendig.
    Vorsichtshalber versteckte ich mich hinter einem der Neugierigen, damit mich der Inspektor nicht entdeckte. Der Gerichtsmediziner stand nach einer Weile auf und begann eine Unterhaltung mit einem Mitarbeiter der Spurensicherung, während Solis noch immer die Leiche anstarrte. Selbst von meiner Position aus konnte ich erkennen, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Als Solis die wasserabweisende Plane wieder auf die Leiche legte, zeigte sich, dass der Körper keine Beine mehr hatte. An der Stelle, wo sie sich normalerweise befunden hätten, legte sich die Plane nämlich flach auf den Boden.

    Auf einmal erhob sich eine dünne Gestalt im Grau und stieg aus dem Körper. Für einen Moment blieb sie in der Luft hängen. Sie schien durch die Plane in ihrer Ruhe gestört worden zu sein und sah sich nun verwirrt um. Ich hatte den Eindruck, als ob das Wesen nicht sehr lange verweilen, sondern sich schon bald in Luft auflösen würde – ganz so wie die Erinnerungen, die wir von unserem Leben haben und die im selben Moment verschwinden, in dem es für sie keinen Grund mehr gibt, zu bleiben.
    Ich betrachtete das Gesicht des Geistes und zuckte erschreckt zusammen. Die Frau sah mich für einen Moment an und löste sich dann langsam auf. Nun wusste ich, wer unter der Plane lag: Es war Jenny Nin. Ihre Mütze war verschwunden, und ihr rechter Arm schien verstümmelt. Die Hand, die Quinton noch am Abend zuvor die Flasche dargeboten hatte, fehlte. Nur ein blutiger, angenagter Stumpf war zurückgeblieben. Und auch ihre Oberschenkel endeten im Nichts.
    Etwas klammerte sich wie ein zerfetzter Umhang an ihre Gestalt. Ihr Gesicht war blau und drückte große Überraschung aus. Ich beobachtete, wie Jenny immer mehr verschwand. Hoffentlich würde ich sie nie wiedersehen – ganz gleich, in welcher Gestalt … Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig, als aus der Nähe einen Blick auf ihre Leiche zu werfen, um sicherzugehen, dass meine Vision auch stimmte.
    Ich sah, wie sich Solis erhob und seine Aufmerksamkeit wieder auf den Tatort richtete. Er befahl seinen Leuten, die Leiche wegzubringen. Die pulsierende Linie um seinen Körper zeigte, wie aufgewühlt er in Wirklichkeit war, auch wenn er sich nach außen wie immer cool gab. Ich durfte ihm auf keinen Fall begegnen, denn ich hatte keine Lust,
mich seinen Fragen zu stellen. Also drehte ich mich um und trat hinter den Schwertwal-Totempfahl. Von dort aus ging ich geradeaus weiter, um so die Holzfigur zwischen mir und Solis’ scharfen Augen zu halten, bis ich mich weit genug von ihm entfernt hatte. Als ich schließlich um eine Ecke bog, eilte ich zu meinem Auto zurück. Falls ich es schaffte, schneller als der Gerichtsmediziner in die Pathologie zu gelangen, konnte ich vielleicht beobachten, wie die Leiche eingeliefert wurde, und so noch ein paar Dinge über Jennys Tod herausfinden.
    Die glatte Fahrbahn machte ein rasches Vorankommen schwer. Am liebsten wäre ich den Hügel hinauf zu Harborview gerast, aber ich wusste, dass die Reifen auf der glatten Straße nicht griffen. Doch ich hatte Glück. Ich hatte einen kleinen Vorsprung und schaffte es tatsächlich, noch vor dem Leichentransport auf dem Parkplatz einzutreffen. Da ich auch keine Bahre aus meinem Wagen hieven musste, gelang es mir, noch vor den Männern und ihrem neuesten Fall ins Gebäude und dort in den Keller zu eilen.
    Das Leichenschauhaus war wie immer voller Gespenster. Doch diesmal schienen weniger da zu sein als beim letzten Mal. Keiner im Grau achtete auf mich. Die Geister hier besaßen kaum mehr genug Bewusstsein, um mich wahrzunehmen. Der Ort selbst hatte etwas Abweisendes an sich – alt, steril und in der typischen Manier möbliert, wie es für solche Institutionen üblich war. Niemand schien die kalte Luft zu bemerken, und auch von den

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