Underground
Versehen einen Menschen zu töten.«
»Und dieses Gerät hält Edward auf Distanz?«
»In gewisser Weise schon. Er hält sich von mir fern, damit ich ihn nicht ausschalte. Auf diese Weise kann kein Mitglied seines Rudels mitkriegen, dass er im Grunde genauso verletzlich ist wie sie. Momentan halten sie ihn für unbesiegbar. Wenn sie jedoch herausfinden würden, dass das gar nicht stimmt, dann könnte das für den guten Edward ziemlich unangenehm werden.«
»Und wie bist du auf die Idee gekommen, so einen Elektroschocker zu entwickeln?«
Er grinste, und ich sah, wie sich das Licht der Taschenlampe in seinen weißen Zähnen spiegelte. »Du würdest dich wundern, was man alles im Internet entdecken kann, wenn man sich nur in die richtigen Seiten einhackt.«
Der Mann, der dem Vampir gerade noch entkommen
war, stöhnte und bewegte sich. Quinton trat zu ihm, um ihm auf die Beine zu helfen. Es war Blue Jay.
»Hallo, Jay. Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Quinton besorgt.
Jay rieb sich den Kopf. »Ja, glaube schon. Mir ist etwas schwindlig …«
»Komm. Wir gehen wohin, wo es wärmer ist.« Quinton nahm Jay am Arm und half ihm bei seinen ersten unsicheren Schritten.
Der Obdachlose führte uns den Tunnel entlang, durch den wir gekommen waren, bis wir zu einem Loch in der Wand gelangten. Dahinter schien ein schwaches gelbes Licht. Wir krochen hinein und fanden uns in einem Raum wieder, der früher einmal der Keller eines großen Gebäudes gewesen sein musste. Eine Gruppe formloser Gestalten saß um eine große Tonne, in der ein Feuer brannte. Mehrere Flaschen machten die Runde, und die Leute redeten leise miteinander. Als Jay zu ihnen trat, begrüßten sie ihn und reichten ihm eine Decke. Einer der Männer fragte neugierig, was denn aus Jays alter Decke geworden sei.
»Ich … Ich habe sie verloren. Einer der bösen Typen … Ihr wisst schon.«
»Einer von denen hat sie gestohlen?«, fragte eine Frau, deren Geschlecht ich nur an ihrer Stimme erkennen konnte, da es in der Dunkelheit unmöglich war, zu sehen, wen man vor sich hatte.
»Nein, ich habe sie fallen gelassen. Aber ich will jetzt nicht zurück, um sie zu holen. Ich gehe lieber morgen früh. Wenn er weg ist.«
Die formlose Frau nickte.
»Habt ihr in letzter Zeit viele von diesen Ekelbrocken hier unten gesehen?«, fragte Quinton.
»Von den Bösen? Nicht mehr als sonst.«
»Und andere? Kriecher? Läufer?«
Eine der Gestalten wippte vor und zurück. »Ich habe einen … etwas Kriechendes gesehen. So lang wie eine Schlange und haarig wie ein Yak.«
»Ein Yak!«, rief einer der anderen. »Du hast doch noch nie ein Yak gesehen.«
»Dann eben so haarig wie ein Moschusochse. Zu Hause in Alaska auf der Quiviut-Farm habe ich viele Moschusochsen gesehen.«
»Und einige Ratten«, meinte ein anderer. »Wir haben auch Ratten gesehen. Letzte Nacht sind hier ziemlich viele vorbeigerannt.«
Die Obdachlosen begannen miteinander zu plaudern und wechselten immer wieder so abrupt das Thema, dass ich teilweise nicht ganz mitkam. Außerdem wusste ich nie, welche der Gestalten unter den schmutzigen Klamottenschichten nun eigentlich sprach.
»Ungeziefer. Für den Winter gibt es diesmal ziemlich viel Ungeziefer.«
»Und die Schattenmenschen.«
»Stimmt. Und verdammt viele Ratten. Und zwar riesig große!«
»Das ist das Problem – Ratten. Irgendetwas muss sie aufgeschreckt haben.«
»Wahrscheinlich die Kälte.«
»Vielleicht haben sie ja vor dem Yak Angst!«
»Und den Krähen«, meinte Jay.
Die Leute wurden plötzlich still und starrten Blue Jay an.
»Hier unten gibt es keine Vögel, Jay.«
»Das weiß ich. Aber ich habe letzte Nacht bei Jenny eine
Krähe gesehen, und heute Morgen war sie dann tot. Du hast die Krähe doch auch gesehen, Grandpa Dan – nicht wahr? Das war ein Omen.«
»Und warum hast du dann keine Krähe gesehen, als Go-Kart gestorben ist?«
»Ich bin kein Medizinmann. Ich habe nur die eine Krähe gesehen.«
»Tauchen denn immer Krähen auf, wenn jemand stirbt?«, fragte ich leise. Mir gefiel es gar nicht, wie mir auf einmal kalt wurde, als ich an die großen Krähen und Go-Kart dachte, oder an die glühenden Augen der Kreaturen in den Tunneln, wie sie Jenny aus der Dunkelheit beobachtet hatten. Um die Gruppe zeigte sich ein Schimmer im Grau, als auf einmal die Stimme von Grandpa Dan zu hören war. »Nicht immer. Aber manchmal. Krähen sind die Botschafter der Götter, und in ihnen wohnen die Geister unserer Vorfahren. Sie symbolisieren Tod
Weitere Kostenlose Bücher