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Underground

Titel: Underground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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binden, da ich mir nicht sicher war, wo das Ganze hinführen würde.
    Er brachte mich zu meinem Wagen, und ich setzte mich hinter das Lenkrad. Ehe ich die Tür schließen konnte, beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Fahr vorsichtig.«
    Dann drehte er sich um und ging davon.
    Wow.
    Das war kein freundschaftlicher Kuss gewesen, aber auch kein aufdringlicher … Ich fragte mich, was diese Geste bedeutete. Gleichzeitig schossen mir tausend Gesprächsfetzen und Informationen durch den Kopf, die wir in dieser Nacht gehört hatten. Immer wieder kehrte ich jedoch zu dem Druck seiner Lippen auf meiner Wange zurück. Es war eine nette Geste gewesen, und irgendwie … Wow.
    Ich rief mich zur Räson. Bestimmt war es nur als ein freundschaftlich brüderlicher Kuss gedacht gewesen. Er hatte mir Gute Nacht sagen wollen, sonst nichts … Wahrscheinlich.
    Ich war derart müde, und mein Körper tat so weh, dass ich kaum mehr wusste, wie ich es nach Hause schaffte. Niemand hatte uns irgendetwas über das Monster oder die Ereignisse im Jahr 1949 sagen können. Jetzt blieb mir nur noch übrig, nach den grauen weichen Fäden zu suchen, die ich gesehen hatte, und es vielleicht so zu schaffen, das Wesen aufzuspüren. Außerdem nahm ich mir vor, mit einigen der Geister zu sprechen … Und nicht mehr an diesen Kuss zu denken.

ZEHN
    S onntägliches Glockenläuten und die Rufe von Kindern hießen weitere weiche Schneeflocken vor meinem Fenster willkommen. Diesmal war der Schnee dicht genug, um liegen zu bleiben. Er verwandelte das schwache Morgenlicht in ein weiches, glänzendes Schimmern.
    Ich rollte aus dem Bett und schaltete zitternd die Heizung an. Dann duschte ich mich und machte ein paar Stretchübungen, um mein schmerzendes Knie und die Schulter zu lockern.
    In der Nacht zuvor war ich noch viel zu lange aufgeblieben, hatte Chaos gestreichelt und über Dinge nachgedacht, über die ich gar nicht hätte nachdenken sollen. Jetzt zahlte ich für meinen Übermut, und das Glockenläuten ging mir ziemlich auf die Nerven. Ich nahm mir vor, das nächste Mal, wenn ich umzog, zuerst sicherzustellen, dass sich in der Nähe meiner neuen Wohnung keine Glockentürme befanden.
    Es fiel mir schwer, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Außerdem hatte ich mich bereits am Samstag mit Nan Grovers Fällen auseinandergesetzt und wusste deshalb, wo ich einige ihrer schwer aufzutreibenden Zeugen finden konnte, falls es nötig sein sollte. Es gab in dieser Hinsicht also nicht mehr viel zu tun, weshalb ich beschloss,
nicht ins Büro zu fahren. Da ich allerdings auch keine Lust hatte, den ganzen Tag in der Wohnung herumzuhängen, überlegte ich, was ich sonst so tun konnte.
    Das Einzige, was mir einfiel, war, nach einer neuen Jacke zu suchen, auch wenn ich Shoppen hasste. Doch es war immer noch besser, mich ins Gewühl zu stürzen, als nutzlos zu Hause herumzusitzen und Däumchen zu drehen.
    Ich fuhr also nach Fremont und hing eine Zeit lang im Hinterzimmer des Old Possum’s herum, wo ich meiner Freundin Phoebe mit meinen Geschichten über Will in den Ohren lag, bis selbst sie es nicht mehr ertragen konnte. Sie beschloss, dass ich dringend etwas zu essen brauchte, und schleppte mich ins nächste Café.
    Dort stocherte ich in meinem Frühstück herum, bis Phoebe mir einen kritischen Blick zuwarf. »Wenn Poppy sehen würde, wie du das gute Essen behandelst, würde er dir eine Standpauke halten.« Phoebes Familie besaß ein Restaurant, und Essen wurde von allen Familienmitgliedern sehr ernst genommen – vor allem von ihren Eltern, die mein knochiges Gestell offenbar als persönliche Herausforderung betrachteten. »Du weißt, dass es ohne Mann sowieso besser ist.« Phoebes schwach ausgeprägter jamaikanischer Akzent ließ mich lächeln.
    »Ja, ich weiß«, sagte ich und spießte ein Stück Kartoffel auf. »Ich will mich nicht auch noch mit den Zweifeln und der Paranoia eines anderen Menschen herumschlagen müssen. Da habe ich schon genug mit mir selbst zu tun.«
    Sie schlug mir mit ihrer Serviette spielerisch auf den Handrücken. Es war dieselbe Geste, die ihre Mutter stets mit einem Geschirrtuch ausführte, wenn sie jemanden davon abhalten wollte, in ihren Töpfen herumzustochern. »Fang bloß nicht damit an. Zweifel und Paranoia gehören
zu deinem Job, aber dort sollten sie auch bleiben. Au ßerdem haben diese knochigen Männer sowieso keinen Mumm. Wie sollte Will es mit dir aufnehmen können, so dürr wie der war? Du hast ihn

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