Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
hätte ich Rauch eingeatmet. Sofort bleibt Tucker stehen.
«O Gott sei Dank», sagt er. «Du bist okay.»
Ich weiß nicht, ob man das wirklich von mir sagen kann. Im Moment fühle ich mich alles andere als «okay». Ich huste und huste, und endlich sind meine Lungen wieder frei, und ich schaue in Tuckers wahnsinnig besorgte Augen. Ich versuche zu lächeln. Und muss prompt wieder husten.
«Es geht mir gut», sage ich. Ich huste und huste und huste.
«Halt durch. Wir sind schon fast da.»
Er setzt sich wieder in Bewegung, und ein paar Minuten später sind wir beim Wagen. Er macht die Ladeklappe auf, schnappt sich die große, vertraute Decke und breitet sie aus, das alles mit einer Hand, während er mich mit der anderen hält. Sacht legt er mich auf die Ladefläche des Trucks. Dann klettert er zu mir hinauf.
«Danke», sage ich rasselnd. «Du bist mein Held.» Untertreibung des Jahrhunderts. Wenigstens das Husten hat aufgehört.
«Was ist passiert?»
Ich starre zum Himmel hinauf, die großen, flauschigen Wolken treiben langsam über uns hinweg. Ein winziger Schauer durchfährt mich. Tucker merkt es.
«Du kannst es mir ruhig sagen.»
«Ich weiß.»
Ich sehe ihn an. Seine sanften blauen Augen sind so voller Liebe und Sorge, dass ich auf einmal einen Kloß in der Kehle habe.
«Geht es dir gut? Brauchst du einen Arzt?»
«Nein, ich bin bloß ohnmächtig geworden.»
Er wartet. Ich hole tief Luft.
«Ich hatte eine Vision», erzähle ich ihm.
Dann kommt die ganze Geschichte stoßweise aus mir heraus.
«Wo sind wir?», frage ich, als ich fertig bin. Wir haben uns beide hingesetzt, Tucker lehnt an der Fahrerkabine und versucht, das alles zu verarbeiten. Ich weiß nicht, ob er wütend ist, weil es in dieser Sache um Christian geht, oder ob er es als Erleichterung empfindet, dass meine Besessenheit von Christian einen guten Grund hatte. Volle zehn Minuten lang hat er jetzt schon geschwiegen.
«Was denkst du?», frage ich, als ich es nicht länger aushalte.
«Ich finde das herrlich.»
Da ist wieder dieses Wort.
«Es ist wie eine heilige Pflicht, die du erfüllen musst.»
«Genau.»
Natürlich fehlen in der Version, die ich Tucker erzählt habe, diese lästigen kleinen Details wie das Händchenhalten und das Berühren von Wangen, die Art, wie wir beide, Christian und ich, in dem Moment vollkommen eins waren. Was ich davon halten soll, weiß ich selbst nicht.
«Also wo sind wir?», frage ich noch einmal.
«Wir sind auf einem guten Weg, glaube ich. Meinst du nicht?»
«Nein, ich möchte wissen, wo wir uns befinden? Ganz wortwörtlich.»
«Oh. Wir sind draußen auf der Fox Creek Road.»
Fox Creek Road. So ein einfacher, schlichter Name für einen Ort, an dem das Schicksal zuschlagen wird. Den Ort kenne ich jetzt also. Auch das Wer, genau wie das Was.
Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wann.
Und wieso.
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Mein Leben, getrieben von der Aufgabe
Ich sitze mit Tucker in einem Boot, mitten auf dem Jackson Lake, als mich Angela endlich zurückruft.
«Na schön, was ist los?», fragt sie. Ich höre Glocken im Hintergrund. «Hat der Waldbrand schon stattgefunden?»
«Nein.»
«Bist du mit Christian irgendwie vorangekommen?»
«Nein!», stottere ich ganz aufgelöst. «Er ist … ich bin nicht … Er ist nicht in der Stadt.» Ich sehe Tucker an. Er hebt Augenbrauen und Mundwinkel: «Wer ist das?» Ich schüttele sacht den Kopf.
«Also was ist denn nun der große Notfall?», fragt sie ungeduldig.
«Ich hab die E-Mail vor Wochen schon geschickt. Hast du sie jetzt erst bekommen?»
«Ich hatte eine Weile keinen Internetzugang», antwortet sie, und es klingt ein bisschen wie eine Verteidigung. «Ich war etwas abseits der üblichen Pfade. Ist jetzt alles wieder okay? Die Krise abgewendet?»
«Ja», sage ich und sehe immer noch Tucker an. Er lächelt. «Alles in Ordnung.»
«Was war denn nun los?»
«Soll ich uns ans Ufer zurückbringen?», fragt Tucker. Wieder schüttele ich den Kopf und lächle, um ihm zu zeigen, dass alles, genau wie ich gesagt habe, vollkommen in Ordnung ist.
«Kann ich dich später zurückrufen?», frage ich Angela.
«Nein, du kannst mich nicht später zurückrufen! Wer war das?»
«Tucker», antworte ich mit erzwungener Leichtigkeit. Er kommt zu mir rüber und setzt sich neben mich, und die ganze Zeit grinst er schelmisch auf eine Art, die mir den Atem verschlägt und mein Herz zum Rasen bringt.
«Tucker Avery», sagt sie.
«Ja.»
«Und ist Wendy auch
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